Remotion des Vormundes. 431
die R. fast gänzlich die damalige Gem. Praxis mit ihren falschen Auffassungen
wieder; es unterscheidet zwischen Total- und Partialremission. Erstere ist vorhanden,
wenn durch alle Wirthschaftsrubriken zusammengenommen nicht so viel übrig bleibt
als der Zins beträgt; letztere tritt ein bei Mißwachs oder Verlust von Getreide.
Die R. ist auch begründet für Unglücksfälle durch Brand, Wassernoth und feindliche
Fouragierungen nach der Perzeption. Es besteht für den Pächter bei Verlust seines
Anspruches eine Anzeigepflicht und die Aufstellung einer genauen Administrations-
rechnung behufs Bestimmung der zu erlassenden Summe; in dem Verzicht aus R.
ist der durch Kriegsschäden entstandene Verlust nicht inbegriffen. Der Code civil
beschränkt die R. wegen Untergangs oder Mißwachses der noch nicht separirten Früchte
nur auf den Fall, daß diese die Hälfte oder weniger des gewöhnlichen Ertrages
ausmachen. Bei einem mehrjährigen Pachtvertrag findet Aufrechnung der guten und
schlechten Jahre statt, weswegen die R. erst nach Ablauf der Pacht gefordert werden
kann; doch darf mit richterlicher Erlaubniß der Pächter schon vorher einen ver-
hältnißmäßigen Theil des Zinses zurückbehalten. Der Pächter kann jedoch die
Tragung der Gefahr ausdrücklich übernehmen, doch bezieht sich ein solcher Verzicht
der R. nur auf die gewöhnlichen Unfälle.
In neuester Zeit hat die Entwickelung des Versicherungswesens dahin geführt,
daß der Verzicht der R. die Regel der Pachtverträge bildet. Wol aus diesem Umstande
ist es zu erklären, wenn das Sächsische BGB. eine R. überhaupt nicht mehr, gewährt.
— —— hie 1. 25 § 6 D. 19, 2. — I. 8 C. 4, 65. 3 X. 3,
18. — Cod. Max. Bav. IV. 6 § 6.— Obeeb# BG#. §§ 1104— 1108. — — Allgem.
LR. I. 21 8§ 478—552. — Code civil art. 1769—1773. — Sächs. BG. F 1212.
Lit.: Außer den Lehrbüchern des Gem. u. Part. Rechts- Glück, Erl., XVII. 447 ff. —
Schweppe in seinem jurist. Magazin, Heft 1 Nr. 4. — W. Sell, Arch. f. Civ.Prax.
XX. — Albert, Ueber Remissionsentsagung des Pächters. — Jacobi, Ueber R. d. P.
* dcle. und Preuß. Recht (1856). — Dankwardt, Nation. Oekon. u. Juri, Heft 4,
ayser
Remotion des Vormundes (postulatio suspecti tutoris, recusatio suspecti)
ist die schon seit den zwölf Tafeln (Bruns, Fontes, p. 23) eintretende Entfernung
des Vormundes aus seinem Amt, dessen er sich unwürdig oder unfähig gezeigt hat.
Die Gründe der R. sind mannigfaltig, nicht blos wirkliche Benachtheiligung des
Mündels durch fraus und dolus, sondern auch Fahrlässigkeit, Ungeschicklichkeit, unedle
Gesinnung, zweite Ehe der Mutter führen die R. herbei (die Quellen enthalten
zahlreiche Beispiele). Das Röm. Recht kannte ursprünglich nur eine förmliche An-
klage auf R., deren Erhebung im Interesse des Mündels möglichst begünstigt wurde
(I. 3 pr. D. 26, 10). Verpflichtet zur accusatio waren alle Mitvormünder, be-
rechtigt Jedermann, sogar Frauen, sofern sie aus Verwandtschafts= oder Pietätsrück-
sichten einen Grund zum Eintreten für den Pupillen hatten. Auch diesem selbst
wird nach erreichter Mündigkeit und Anhörung seiner nächsten Verwandten die ac-
cusatio gestattet. Später konnte diese auch durch ein Einschreiten der Obrigkeit von
Amtswegen ersetzt werden. Die Entscheidung über die R. gebührte den höheren
Magistraten, welche selbständig und ohne judex das Verfahren leiteten. Dem tutor
suspectus wurde nicht nur Gehör gewährt, sondern auch — wenngleich nur unter
gewissen Garantien — ein defensor und procurator für ihn zugelassen. Das Dekret,
welches die R. aussprach, war in den ältesten Zeiten mit Infamie verknüpft, später
ließ man diese nur eintreten, wenn der Rechtsgrund in dem dolus des tutor lag
und ausdrücklich in dem urtheil ausgesprochen wurde. Daneben kamen allmählich
auch mildere Arten der R. auf, wie Beiordnung eines curator, Untersagung der
gestio rc., welche mit Ehrenfolgen nicht begleitet waren. MWährend schwebenden Ver-
fahrens über die N. wurde dem Mündel ein Interimsvormund bestellt und die
Vormundschaft des suspectus hörte nicht schon mit der wirklichen Absetzung, sondern
erst mit der Ernennung eines Nachfolgers auf. — Auch nach Altdeutschem Recht
gab es eine Klage auf Entfernung des ungetreuen Vormundes (balemunden). —