88 Perthes — Pertinenz.
die abgeschlossene Ehe zu einer nichtigen oder anfechtbaren macht. Im Uebrigen
werden zwei Fälle unterschieden. Die Täuschung kann sich auf „ein gesetzliches
Ehehinderniß" beziehen — hier wird nicht vorausgesetzt, daß die Anregung zum
Abschluß der Ehe von dem Täuschenden ausging — oder auf sonstige Umstände.
Im letzteren Falle muß die Initiative beim Täuschenden gewesen sein, und die
Täuschung muß zugleich von solcher Bedeutung sein, daß die Gültigkeit der Ehe
mit Rücksicht darauf angefochten werden kann. In beiden Fällen muß das Ver-
halten des Täuschenden sich als ein „arglistiges“ darstellen, d. h. es muß darauf
berechnet gewesen sein, dem Andern die Erkenntniß des richtigen Sachverhalts un-
möglich zu machen oder etwa auftauchende Zweifel zu ersticken. Den Gegensatz
hierzu bildet ein bloßes Daraufankommenlassen, ob es der Andere der Mühe werth
finden werde, sich über betreffende Verhältnisse zu orientiren. — Als Thäter ist
derjenige vorausgesetzt, der die Ehe mit dem Getäuschten abschließt. — Eine Be-
dingung der strafrechtlichen Verfolgung ist das Vorliegen eines ehegerichtlichen Er-
kenntnisses, wodurch die Ehe aufgelöst wird; eine fernere der Antrag des getäuschten
Theiles. Die Frist zur Einbringung des Antrags läuft von dem Momente, wo
der Getäuschte von der Täuschung Kenntniß erlangt, die Verjährung von dem
Momente des Eheabschlusses (anderer Meinung: v. Schw )
UsbuLItRStrafGBS§6—-170—Oesterre1ch 9201 —Unqarn§§254
255. — HBeigien art. 363. — Frankreich art. 345. — v. bolbendorffte Landbuch, III.
S. 277—285 (v. Schwarze). — Die Kommentare.
Perthes, Clemens Theodor, 6 2. III. 1809 zu Hanbunn. Prf. zu
Bonn, J 25. Xl. 1867.
Schriften: Der Staatsdienst in reußen Gotha 1838. — Das Deutsche Staatsleben
vor der Revolution, Hamb. u. Gotha 1845. — Einverleibung Krakau'fs, Gotha 1847. — Das
Hertergswesen der B esellen, Gotha 1856. — Friedr. Perthes'Leben, Gotha 1848—51,
6. Aufl. 1872. — Politische Fustänke und Personen in Deutschland zur Zeit der Franzöf.
Herrschaft, Gotha 1862—69 (II. Bd. herausgeg. von Anton Springer).
Sein älterer Bruder Friedrich Matthias (1800—1859) schriebe Die alte
und neue Lehre über Gesellschaft, Staat und Kirche, Hamb. 1849, 3. Aufl. 1
Aemann
Pertinenz einer anderen ist diejenige Sache, deren wirthschaftliche Bedeutung
nach der Anschauung des Verkehres und der durch diese geleiteten Annahme des
Rechtes in ihrem Dienste für eine andere Sache aufgeht. Es ergiebt sich daraus:
1) Die Rechtsnorm, welche eine Sache zur P. einer anderen erklärt, ist dis-
positiver Natur; was nach der Anschauung des Verkehres keine eigene Bedeutung
hat, kann sie doch haben nach der Anschauung des Einzelnen, und wenn das Recht
jene Anschauung des Verkehres sich aneignet, so thut es dies nicht im Gegensatze
zur Anschauung des Einzelnen, sondern lediglich wegen ihrer im Zweifel anzunehmen-
den Uebereinstimmung mit der Anschauung des Verkehres.
2) Die Bedeutung der P. qualität erstreckt sich auf das rechtliche Schicksal der
Sache nur insoweit als dieses durch ihre wirthschaftliche Bedeutung sich bestimmt;
daher theilt die P. das Schicksal der Hauptsache nur insoweit als dieses durch Ver-
fügung sich bestimmt; denn Objekt der Verfügung oder des Willensaktes ist die
Sache in ihrer Eigenschaft als Gegenstand des Bedürfnisses. Sodann erstreckt sich
selbstverständlich die Verfügung über die Hauptsache auf die P. nur insoweit als
ihr Umfang lediglich durch die vom Rechte angenommene Tragweite des Willens-
aktes als solchen sich bestimmt, daher wird z. B. durch Uebergabe der Hauptsache
zu Eigenthum oder zu Pfand die P. nicht berührt. Unabhängig von der P.qualität
ist die Erstreckung einer Verfügung auf eine nicht ausdrücklich genannte Sache, wenn
nach dem allgemeinen oder im einzelnen Falle anzunehmenden Sprachgebrauche eine
ihrem Wortlaute nach nur auf eine bestimmte Sache gehende Bezeichnung andere
Sachen mit umfaßt; vielmehr macht sich die P.qualität als solche erst dann geltend,
wenn eine nicht nur dem Wortsinne nach, sondern auch nach sog. logischer Inter-