Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Repressalien. 143 
heben, wenn auch stören. Unseres Erachtens wird der Ausdruck R. auf kriegerische 
Maßregeln nicht richtig angewendet, da jene den Krieg behindern sollen, und würde 
für solche sog. R. im Kriege das Kriegs= und nicht das Rlrecht gelten. Das er- 
wähnte Beispiel der Anwendung der gen. repr. war entweder eine Selbstfolge des 
Krieges oder überschritt in seiner Allgemeinheit, soweit Privateigenthum auch im 
Kriege geschützt ist, selbst das Maß des im Kriege Erlaubten. Die zweite Weise 
der Unterscheidung allgemeiner N. als solcher, welche der Staat übt, und be- 
sonderer, zu deren Uebung dem Beschädigten selbst die Befugniß ertheilt wird 
(Wurm, 1. c.; Berner, I. c.), ist, seitdem die R. nur durch oder im Namen 
des Staates von dazu ermächtigten Behörden oder Unterthanen geübt und nicht den 
Einzelnen für erlittenes Unrecht zu eigenem Recht und zur selbsteigenen Uebung 
verliehen werden, mit Ausnahme der Vereinigten Staaten (Kent, I. 69), weiter 
von keiner praktischen Bedeutung. Eine Privatperson, welche ohne Erlaubniß der 
Staatsgewalt R. in Bezug auf ein ihr widerfahrenes Unrecht unternahm, wurde 
schon seit längerer Zeit des Raubes oder Seeraubes für schuldig erachtet (Wild- 
mann, I. 191; Berner, 598). Selbst der Gebrauch von R. in geringfügigen 
Sachen aus eigener Machtvollkommenheit der Unterthanen (Moser, VIII. 499) 
kann nicht zugestanden werden, denn unbestritten untersteht, so wie das internationale 
Rechtsmittel des Krieges, so auch das der R. grundsätzlich der Verfügung der 
Staatsgewalt (Bartol., qu. 3:; Bynkershoek, l. c.; Wolff, §589; Vattel, 
§ 346; Moser, KK. II. 526; Martens, V.R., § 255; Klüber, § 232; 
Wurm, 459; Heffter, § 110; Oppenheim, 228; Wildmann, I. 197; 
Kent, I. 69; Phillimore, III. 22). Groot (8 VII. 3) konstatirt zwar noch, 
daß iure gentium den Einzelnen das jus pignorandi zustehe, daß dasselbe indeß iure 
civili bald von der höchsten Gewalt, bald von dem Richter erbeten werde, aber 
schon Bynkershoek, lI. c., führt aus: „repressalias concedere solius principis 
esse videtur, egreditur enim ea res legitimam Magistratus potestatem et sic nunc 
ubique servatur“. Als Personen, welche, in Vertretung ihres Souveräns, seine 
Gewalt für ihn auszuüben und daher auch R. anzuordnen befugt sind, nennt 
Burchardi (507): Gesandte und die Kommandanten der Land= und Seemacht in 
fernen Gegenden; indeß erachten wir auch hier eine besondere Uebertragung des 
Rechts für jeden einzelnen Fall für erforderlich, da es sich um ein Souveränetäts- 
recht handelt und verschiedene Fälle verschiedene Beurtheilung und Verfügung ver- 
anlassen können. Gefahr im Verzuge wird aber bei den fast überallhin ausgespannten 
Telegraphendrähten kaum zu befürchten sein. Zur Ausübung der R. bedient sich 
der Staat seiner Civil= und Militärmacht (Burchardi, 1. c.). Ebensowenig kann 
daher zugegeben werden, daß R. größtentheils bloße Verwaltungemaßregeln 
(Oppenheim, 228) seien, da sie ohne rechtliche Initiative der Staatsgewalt nicht 
geübt werden dürfen. — Die Anwendung von R. ist sowol gerechtfertigt, wenn 
die Staatsgewalt (publizistisches Unrecht im Gegensatz zum privatrechtlichen; 
Burchardi, 503), als wenn die Staatsangehörigen und domizilirten Ausländer (schon 
nach dem guidon de la mer: „naturels, sujets et régnicoles“; Vattel, § 347; 
Burchardi, 504 und 505; Kent, I. 69) in ihrem Rechte verletzt sind und braucht 
das Unrecht nicht von Gewaltthätigkeiten begleitet zu sein (Wildmann, I. 193; 
Phillimore, III. 14). Indeß kann ein von Behörden oder Staatsangehörigen 
verübtes Unrecht nur dann ihrer Staatsgewalt zugerechnet werden, wenn diese es ge- 
billigt und selbst Gerechtigkeit (Vattel, l.c.; Wildmann, I. 191 ff.; Wurm, 459; 
Berner, 597) oder die Schuldigen zur Genugthuung anzuhalten (Twiß, II. 20) 
verweigert. Bei einer Rechtswidrigkeit der Staatsgewalt ist ein nächster, bei einer 
der Behörden oder Staatsangehörigen nur ein entfernterer Anlaß zu R. vorhanden 
(Berner, I. c.). R. zu Gunsten anderer Staaten oder nicht domizilirter Fremder 
sind zu versagen (Bartol., qu. 1.; Vattel, § 348; Martens, V.R., § 256; 
Manning, 110 ff.; Wildmann, l. 193; Wurm, 461 ff.; Heffter, I. c.;
	        
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