Requtisition. 447
und Wolff (598 und 599) allgemein diejenigen, welche zu den R. Veranlassung
gaben, nach Vattel (II., XVIII. § 349) in erster Stelle die veranlassenden Privat-
personen und selbst dann, wenn ihr Souverän die Justiz verweigert und zum Theil
noch dann, falls sie selbst zur Genugthuung sich bereit erklärten. Burchardi (508)
will mit Recht die Entschädigungsforderung nur gegen den eigenen Staat gerichtet
wissen, nimmt aber, was nicht anzuerkennen, dessen Rechtsverpflichtung dazu in
Abrede. — Zweck der R. ist nicht Bestrafung des Gegentheils (von Wurm, 459,
gut nachgewiesen), sondern zu erlangende Genugthuung. Die zu gewährende Ent-
schädigung erstreckt sich bis zum Betrage von Schäden und Kosten aus dem Weg-
genommenen mit Rückgabe eines etwaigen Restes oder Werthbetrages (Groot (l. c. ;
Wolff (§ 602]; Moser (VIII. 502]; Vattel '§ 342|; Phillimore IIII. 23.).
Sowie aber an der weggenommenen Sache bis zum Betrage der Schäden und Kosten
Eigenthumnm durch die bloße Thatsache der Wegnahme, wie Groot und Wolff, J. c.,
meinen, nicht erworben wird, abgesehen davon, daß eine solche beschränkte Eigenthums-
erwerbung begriffswidrig ist, so ist auch nicht, in Rücksicht auf den auch bei der
Ausführung von R. zu fordernden Rechtsgang, einzuräumen, daß ein Staat, wie
Vattel (§ 342) behauptet, sich ohne Weiteres der weggenommenen Sache zu seinem
Vortheil bis zum gedachten Betrage bedienen könne, — vielmehr findet hier eine
Art Pfändung statt (Heffter, 1. c.) und muß durch richterlichen Spruch die geübte
R. legalisirt, der Betrag der Ansprüche firirt und darf die Entschädigung nur dann
aus dem weggenommenen Gute zuerkannt werden, wenn die veranlassende Rechts-
verletzung nicht sistirt oder etwaiger Schaden nicht anderweitig ersetzt wurde
(Burchardi, 508; Wildmann, I. 193; Heffter, § 110). Nach gewährter
Genugthuung oder Entschädigung cessirt aber die R. vollständig. — Nicht zu be-
zweifeln ist es, daß R. als ein milderes, nur von in beschränktem Maß nachtheilig
wirkenden Folgen begleitetes, internationales Rechtsmittel dem Kriege vorzuziehen
seien, indeß muß dieser eintreten, wenn der fragliche Rechtsanspruch streitig ist und
die geübten R. nicht den gegnerischen Staat zur Genugthuung veranlaßten (Vattel,
§ 354; Berner, 596). Mißbraucht werden aber R., wenn unter dem Namen
derselben Gewalt geübt wird, um einer Unterhandlung über ein diesseits in Anspruch
genommenes und jenseitig bestrittenes Recht eine entscheidende Wendung zu geben
(Wurm, 484).
Lit.: Bartolus a Saxoferrato, Tractatus represaliarum, 1354. — Bynkers-
hoek, Quaestionum iuris publici libri duo, 1737. — Wurm, Art. Völkerrechtliche Selbsthülfe
in Rotteck's Staatslex. 1843 Bd. XIV. — Berner in Bluntschli's Staats Wört.B.
1864 Bd. VIII. Art. Repressalien. — Burchardi in Rotteck's Staatslex. 1865
Bd. XII. s. eod. v. — Mas Latrie, Du droit de marque ou droit de représailles au
moyen age, Paris 1866. — Die völkerrechtlichen Gesammtwerke von Groot, Wolff (ius
gentium), Vattel (éd. 1839), J. J. Moser (Versuch des Europäischen Völkerrechts, Th. VIII.
u. IX. Bd. II.) Martens (Ausg. von 1796), Klüber (Ausg. v. 1851), Wildmann,
Manning, Heffter (gusg. v. 1861), Oppenheim (1866), Wheaton (éém. d. droit
internat., 1848), Kent, Phillimore und Twiß. — Repressalienfälle s. bei Moser, VIII.
503 ff. u. IX. II. 527 ff., Phillimore, XIII. 24 ff., u. Calvo, I. 805 ff.
A. Bulmerinchg.
Requisition (völkerrechtlich). Mit dem, in diesem Sinne angeblich durch
Washington in Aufnahme gebrachten Ausdruck R., bezeichnet man die Auflage von
Kriegsleistungen in Feindesland, zu welcher nach Kriegsgebrauch die Militärautorität
der vordringenden Okkupationsarmee gegenüber den Bewohnern der besetzten Gebiete
und Ortschaften als befugt erachtet wird. Sie unterscheidet sich von der Kriegs-
kontribution (s. diesen Art.) dadurch, daß sie nicht eine Geldzahlung, sondern
Lieferungen und Dienstleistungen zum Gegenstande hat; und daß sie nicht nach
Willkür auferlegt und bemessen wird, sondern in der Rücksicht auf ein vorhandenes,
anderweitig nicht zu befriedigendes militärisches Bedürfniß Motiv und Schranke
findet. Ihre landesrechtliche Analogie findet die kriegsrechtliche R. in denjenigen
Militärlasten, die bei eintretender Mobilmachung ein Staat seinen eigenen An-