Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

448 Reauisition. 
gehörigen als sog. Kriegsleistungen ((. diesen Art.) subsidiarisch auferlegt. Da 
eine Okkupationsarmee thatsächlich nicht immer in der Lage ist ihren Unterhalt durch 
Magazinverpflegung zu bestreiten, so wird nach dem R. ystem die Last dieses Unter- 
halts von dem eigenen Lande, insoweit es überhaupt ausführbar ist, auf das besetzte 
Gebiet abgewälzt, und die Kostenausgleichung dem künftigen Friedensschlusse über- 
lassen. In dieser modernen Gestalt ist die R. zuerst durch die Französischen Patrioten 
der Revolutionskriege als Konsequenz ihrer neuen Taktik zu breiter Anwendung und 
von Napoleon in ein großartiges System gebracht worden. 
Wenn schon im eigenen Lande die mobilisirten Armeen nicht der Ermächtigung 
entbehren können, Dienste „aller Art“ und Leistung aller Gegenstände als Kriegs- 
lasten den Gemeinden und Einzelnen anzusinnen (Deutsches Kriegsleistungsgesetz vom 
13. Juni 1873, § 3), so wird um so weniger von einer gegenständlichen Be- 
schränkung des Rechtes zur R. im Felde die Rede sein können. Nur eine Ueber- 
schreitung des durch das spegielle Bedürfniß marschirender oder kantonnirender Truppen 
gegebenen Maßes, desgleichen eine ohne dienstliche Befugniß, insbesondere um der 
Bereicherung willen, gemachte R. würde, als unter den Gesichtspunkt der Plünderung 
fallend, der Kriegsmanier widersprechen. Beides wird demgemäß in den Landes- 
militärgesetzen unter Strafe gestellt. Im Wege der R. wird sonach beschafft die 
OQuartierleistung nebst Stallung, die Naturalverpflegung (daß Cigarren und Wein 
kein R. objekt seien, behauptet wunderlicher Weise Calvo, Droit intern., 2 4e é4., 
§ 909); sodann Fourage, Einräumung von militärisch nothwendigen Grundstücken, 
Vorspann und Fuhren, Arbeitsleistungen und Dienste (soweit die Forderung derselben 
nicht eine unehrenhafte Handlung zumuthen würde) aller Art, Lieferung von Materialien. 
für militärische Bedürfnisse, Flußfahrzeuge, und überhaupt Alles, was im Interesse 
der Kriegführung erforderlich werden kann, sofern die nöthigen Objekte in dem 
okkupirten Gebiete oder Orte nur aufzutreiben sind; und sofern nicht vorgezogen 
wird gewisse Heeresbedürfnisse, insbesondere Arbeitsleistungen gegen Vergütung, also 
durch Abschluß von Verträgen, zu beschaffen. In Uebereinstimmung hiermit formulirte 
das Brüsseler Projekt der Kriegsrechtsdeklaration von 1874, Art. 40. La propriété 
privée devant étre respectée Iennemi ne demandera auf communes ou aux 
habitants due des prestations et des services en rapport avec les nécessités de 
guerre généralement reconnues, en proportion avec les resscurces du pays et qui 
n’impliquent pas pour la population ’obligation de prendre part auf opérations 
de guerre contre leur patrie. — Um nun aber der R. den Charakter der Regel- 
losigkeit zu nehmen, wird die eine solche ausschreibende Militärbehörde sich nicht an 
die einzelnen Bewohner der okkupirten Ortschaften und Bezirke wenden können, 
sondern ähnlich, wie dies für die Kriegsleistungen im eigenen Lande geschieht, die 
vorhandenen kommunalen und administrativen Verbände verpflichten, denen dann die 
Repartition auf die Gemeinde= oder Bezirksinsassen sowie die Beitreibung der ge- 
forderten Gegenstände überlassen wird, wobei sogar die Abfindung aller oder gewisser 
Naturalleistungen durch ein Geldäquivalent, also durch Kontribution vereinbart werden 
mag. In diesem Falle nimmt also die im R.wege auferlegte Leistung den juristischen 
Charakter einer durch die feindliche Militärgewalt einem örtlichen Verbande auferlegten 
obligatorischen Verpflichtung an. Im Falle aber, daß die im Lande vorgefundenen 
Civilbehörden ihre Mitwirkung zur Beschaffung und zu gleichmäßiger Vertheilung der 
die Bevölkerung treffenden Kriegsopfer versagen oder zu einer solchen die Gelegenheit 
sich nicht bieten sollte, wird allerdings die Militärauktorität diese Maßregeln selbst 
treffen müssen, sich an die einzelnen Bewohner und deren Vermögensstücke selbst zu 
halten haben und ihre Forderungen sei es durch Strafandrohungen sei es unmittel- 
bar im Zwangswege zur Ausführung bringen. Immerhin liegt in beiden Fällen 
eine gewisse Analogie zur Expropriation vor. Es handelt sich um Eingriffe in die 
Privatrechtssphäre der Individuen, welche im Interesse der an die Stelle heimischer 
Staatsgewalt sich subrogirenden Militärgewalt dann verfügt werden, wenn ohne
	        
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