Reservationen. 449
solche Eingriffe jene Interessen nicht oder nicht ausreichend befriedigt werden können.
Und diesem Gesichtspunkte entsprechend liegt der requirirenden Behörde unter allen
Umständen die anerkannte Verpflichtung ob, über den Empfang der eingeforderten
Leistung eine ordnungsmäßige Quittung (einen Bon) auszustelleu, durch welche die
in Anspruch genommene Person oder Gemeinde in den Stand gesetzt wird, eine
Entschädigungsforderung für das von ihr Geleistete zu belegen. Eine Versagung
der Ausstellung solcher Anerkenntnisse würde die Grenze zwischen rechtmäßiger Kriegs-
leistung und Brandschatzung verwischen, ohne deren Aufrechterhaltung ein völkerrecht-
licher Kriegszustand nicht gedacht werden kann. Die weitergehende Forderung, daß
die zur Maßregel der R. greifende Militärmacht völkerrechtlich auch verpflichtet sei
auf Grund der eingereichten Liquidationen ein förmliches Entschädigungsverfahren
noch während des Kriegszustandes oder gar nach Beendigung desselben eintreten zu
lassen, entspricht nicht dem gegenwärtigen Kriegsgebrauch, wie sie denn auch unaus-
führbar sein würde. Die Frage, wer der an letzter Stelle zur Tragung der Kriegs-
kosten verpflichtete Staat sei, kommt schließlich durch den Friedensvertrag mittelbar
oder unmittelbar zur Entscheidung. Die Entschädigung, die von dem mit Kriegs-
leistungen durch den Feind heimgesuchten Gebiete beansprucht wird, zu bewilligen
und zu bemessen, ist Sache des Staats, dem dasselbe verbleibt oder zugesprochen
wird. Ist er Sieger, so entnimmt er die Mittel hierfür aus der ihm bewilligten
Kriegskostenentschädigung. Ist er nicht Sieger, so hat er nebst den übrigen Kriegs-
schäden auch diese Beträge auf die Gesammtheit ausgleichend zu übernehmen. Bei
den Brüsseler Konferenzen von 1874 bemerkte treffend der Deutsche militärische Sach-
verständige: Celui qui sera vainqueur comme celui qui sera vaincu, aura le devoir
d’indemniser ceux de ses sujets qui auront en leur possession des quittances
délivrées en temps de guerre.
Lit.: Löning, Die Verwaltung des Generalgouvernements im Elsaß, 1874, S. 54 ff. —
Rolin-Jaequem yns in der Revue de droit intern., III. p. 331 ss. — Actes de la con-
férence réunie à Bruxelles, 1874, pour régler les lois et coutumes de la guerre, in
Martens, Recueil des Traités, IIme série, IV. (1879) p. 121—138, 161.
F. v. Martitz.
Reservationen, päpstliche, reservationes papales (Thl. I. S. 660),
d. h. das von den Päpsten seit dem 13. Jahrhundert in Anspruch genommene Recht,
bestimmte Klassen von kirchlichen Aemtern zu besetzen, welches theoretisch auf das
freilich bis dahin niemals ausgeübte angebliche oberste Kollationsrecht des Papstes
auf sämmtliche Benefizien gegründet wurde, und dazu dienen sollte, die Herrschaft
über die abgefallene Obedienz zu befestigen und der Kurie eine reichere Einnahme-
quelle zu verschaffen (s. den Art. Annaten). Reservirt, also der pöädstlichen
Besetzung vorbehalten, worden sind namentlich im Laufe der Zeit 1) die beneticia
in curia Romana vacantia, d. h. alle, welche durch den am Sitz der Kurie oder
innerhalb eines nur zwei Tagereisen davon entfernten Bezirkes erfolgten Tod ihres
Inhabers erledigt wurden; 2) die der höheren und niederen Kurialbeamten, wenn
diese im aktiven Kurialdienst starben; 3) die Benefizien, deren Besetzung in Folge
der Kassation der Wahl, bzw. Nichtadmission der Postulation erfolglos geblieben,
sowie diejenigen, welche durch eine vom Papst vorgenommene Promotion, Deposition,
Privation und Suspension, oder eine vom Papste acceptirte Resignation ihrer In-
haber und durch Annahme eines beneticium incompatibile (s. Th. I. S. 656)
vakant wurden. 4) Mit Rücksicht auf eine von Martin V. auf dem Constanzer
Konzil abgegebene Erklärung, außer den schon reservirten Aemtern nicht mehr als
zwei Drittheile der sonstigen Benefizien vorbehalten zu wollen, wurden von den
Päpsten demnächst die in den Monaten Januar, Februar, April, Mai, Juli, August,
Oktober und November (sog. menses papales) zur Erledigung kommenden Aemter
reservirt. Den Bischöfen, welche Residenz hielten, war aber noch die Verleihung in
zwei weiteren Monaten, Februar und Mai, gestattet; später ist diese Vergünstigung
v. Holtzendorff, Enc. II. Rechtslexikon III. 3. Aufl. 29