450 Reservatrechte.
so modifizirt worden, daß dem Papste alle in den sechs ungeraden Monaten (Januar,
März, Mai, Juli, September und November, ebenfalls menses papales genannt)
vakant werdenden Benefizien reservirt und die in den gleichen Monaten erledigten
der ordentlichen Kollation durch die kirchlichen Oberen vorbehalten sein sollten (sog.
alternativa mensium, Wechsel der Monate, womit sich also die häufig dafür auch
gebrauchte Bezeichnung menses papales nicht vollständig deckt). Den Klagen wegen
dieser übermäßigen R. wurde theilweise auf den Konzilien zu Konstanz und zu Basel
abgeholfen, namentlich hob das letztere alle bis auf die im Corpus iuris canonici
festgesetzten, also alle durch spätere, in den Extravaganten enthaltene und sonstige
Bullen eingeführten, auf, jedoch hat das Wiener oder Aschaffenburger Konkordat
vom Jahre 1448 für Deutschland im Wesentlichen den früheren Zustand wieder-
hergestellt, und dabei ist es — abgesehen von besonderen, seitens der Päpste durch
Indulte gewährten größeren Rechten für einzelne Kirchenfürsten — bis zur Auf-
lösung des Deutschen Reiches geblieben. Bei der Wiederaufrichtung der katholischen.
Kirchenverfassung in diesem Jahrhundert ist aber eine erhebliche Aenderung eingetreten.
Ganz beseitigt sind die R. in der Oberrheinischen Kirchenprovinz und in
Hannover. In Bayern ist dagegen dem Papst die Propstei in jedem Dom-
kapitel vorbehalten, die Ernennung auf die Domherrnstellen in den päpstlichen
Monaten aber dem König durch Indult übertragen worden; in Altpreußen
besteht die R. für die in curia vakant werdenden Erzbisthümer und Bisthümer,
ferner für die Propsteien der Metropolitan-, Kathedralkirchen und der Kollegiatkirche
zu Aachen, sowie für die in den ungleichen Monaten erledigten Kanonikate, für
welche letztere jedoch der Papst dem König die Nomination zugestanden hat. In
Oesterreich, wo schon die Josefinische Gesetzgebung alle Reservate ausgehoben
hatte, ist wieder durch das jetzt allerdings beseitigte Konkordat dem Papst die erste
Dignität an sämmtlichen erzbischöflichen und bischöflichen Kirchen vorbehalten worden.
Lit.: Phillips, Kirchenrecht, V. 470 — Jacobson in Herzo „Mealeneylopädie
für rrtstan!. Theologie, IX. 359 ff.; XII. 743 ff. — P. Hinschius, tbure I
S113—6 tuschtus
Reservatrechte (Sonderrechte). Die Deutsche Reichsverfassung handelt
in Art. 79, Abs. 1 von Abänderung der Verfassung überhaupt, in Abs. 2 von Ab-
änderung derjenigen „Vorschriften der Reichsverfassung, durch welche bestimmte
Rechte einzelner Bundesstaaten in deren Verhältniß zur Gesammt-
heit festgestellt sind.“ Dieser Abs. 2 war in der Norddeutschen Bundes-
verfassung nicht enthalten. An denselben hat sich die verwickelte und bestrittene
Lehre von den „Reservatrechten“ geknüpft, für deren Behandlung wir jegliches
Analogon in der Gesetzgebung anderer Staaten, speziell der beiden anderen Bundes-
staaten, entbehren.
I. Begriff. Die „Vorschriften“, von welchen Art. 792 handelt, werden in
der Literatur sehr verschieden umgrenzt. Nach der Meinung mehrerer Staatsmänner
und Schriftsteller (von Friesen, Riedel, Seydel) gehören zu jenen Vorschriften
einmal alle diejenigen Sätze, in welchen die RVerf. positiv einzelne Bundesstaaten
als mit bestimmten Rechten ausgestattet erwähnt, sodann aber negativ der gesammte
Umkreis derjenigen Rechte, welche das Reich nicht in seine eigene Kompetenz gezogen,
sondern den Bundesgliedern belassen hat. Es fallen nach dieser Meinung unter jene
„Vorschriften“ insbesondere auch die Stimmrechte der einzelnen Bundesglieder im
Bundesrath (NVerf. Art. 6), die Vorrechte der Krone Preußen (RVerf. Art. 11 ff.,
37, 63 u. a. m.), die organisatorischen Bestimmungen über Vorrechte einzelner
Bundesglieder in den Bundesrathsausschüssen (RVerf. Art. 8). Die negative Seite
dieser Ansicht würde aber zu dem Refultate führen, daß Abs. 1 des Art. 78 voll-
ständig illusorisch wäre, indem jede Kompetenzerweiterung, da eine solche immer
in die den Bundesgliedern verbliebenen Rechte eingreifen muß, durch den nach