Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

454 Reservefonds — Residenzpflicht. 
Reservefonds ist der Vermögensbestand, welcher bei außergewöhnlichen Aus- 
gaben und Ausfällen seine Verwendung finden soll; bei Aktiengesellschaften und 
Kommanditgesellschaften, Genossenschaften, Versicherungsgesellschaft auf Gegenseitigkeit 
u. s. w. auf Aktien die Vermögensansammlung aus den Jahresbetriebsüberschüssen 
zum vorgedachten Zweck. Das Französische Gesellschaftsgesetz vom 24. Juli 1867, 
Art. 36; Dekret, die Versicherungsgesellschaften betr., vom 22. Jan. 1868, Art. 4; 
Belg. H#G. Art. 62 haben zwangsweise die Ansammlung eines R. bestimmt; das 
Englische Gesellschaftsgesetz von 1862 (Statut § 74) und das Allgemeine 
Deutsche HGB. haben es der autonomen Bestimmung überlassen. Der statu- 
tarische Vorbehalt eines R. kann als Regel angenommen werden. Wenn die 
allmähliche Verstärkung der Betriebsmittel für die fortschreitende Entwickelung der 
Mehrzahl von Aktiengesellschaften erforderlich erscheint, so ist es ein Verkennen der 
Bestimmung, einen R. zu diesem Zweck anzusammeln; es mag das allerdings nament- 
lich bei Banken geschehen, es hat das aber die ausdrückliche Folge, daß der R. als 
umlaufendes Kapital Verwendung findet und ohne gesonderten Bestand nur einen 
Bilanzposten bildet. Das Deutsche HG#B. bestimmt in Art. 217, daß der statutarische 
Jahresbeitrag zum R. entnommen werden soll, bevor eine Dividende vertheilt werden 
darf; für die Bilanz ist im Art. 239 a bestimmt, daß der Betrag des R. unter die 
Passiva aufzunehmen ist, was sich als nothwendig ergiebt, weil anderweit der Betrag 
des R. als vertheilter Jahresgewinn erscheinen müßte. Der R. ist den Gläubigern 
gegenüber freies Gesellschaftsvermögen, auf deren Erhaltung oder bestimmte Ver- 
wendung sie kein Recht haben. Eine statutarische Neueinfügung eines R. verletzt 
das Einzelrecht des Aktionärs auf Vertheilung des Gewinns als Dividende; selbst 
die Errichtung einer Schadensreserve, damit die plötzlichen Verluste eines Jahres 
aus den Ersparnissen getragen und in ihrem Einfluß auf die Dividende gemildert 
werden, ist der einzelne Aktionär zu dulden nicht verpflichtet; das Gleiche gilt für 
einen sog. Dividenden R., aus welchem in Geschäftsjahren mit ungünstigem Ergebniß 
die Dividende auf einen bestimmten Betrag erhöht werden soll. Erfahrungsmäßig 
ist solcher Dividenden R. bereits im Jahresgeschäft verbraucht, wenn er bei mangeln- 
dem Gewinn zur Verwendung kommen könnte. Gleich dem Erneuerungsfonds 
(s. diesen Art.) ist der R. gesonderte Zweckvermögensmasse, gebildet und zu verwalten 
nach den Bestimmungen des Statuts mit Ausschließung anderweiter Verwendung. 
Der R. soll ausgleichend wirken zwischen den Ergebnissen verschiedener Geschäftsjahre; 
die Ersparniß aus der Gegenwart soll das Gedeihen der Zukunft sichern und damit 
den Kredit befestigen und Einfluß auf die Dividende üben. Ungenau werden wol 
auch die Prämienreserven der Lebenversicherungsgesellschaften mit R. bezeichnet. Die- 
selben sind nicht zu außergewöhnlichen Ausgaben bestimmt, sondern gerade zur Er- 
möglichung der Vertragserfüllung; die Prämienreserven sind aus den Jahresbeiträgen 
aufzusparen, damit aus denselben die Versicherungssumme gezahlt werden könne. 
Lit.: Renaud, Aktienrecht, 2. Aufl., S. 509, 655 ff., 758 ff. — Auerbach, Das 
Gesellschaftswesen, S. 357, 376; Derselbe, Das neue Handelsgesetz, S. 185. — Keyßner, 
Aktiengesellschaften, S. 512. — L. v. Stein im Jahrb. des volkswirthschaftlichen Vereins in 
Wien, 1872, S. 46 ff. — Löwenfeld, Aktiengesellschaften, S. 447. — Die Kommentare 
von v. Hahn, Anschütz, v. Völderndorff, Keyßner zu Art. 217, 239a des HGB. — 
Entsch. des ROH. XI. 125. — Mathieu et Bourguignot, Commentaire de la loi sur 
les sociétés des 24—29 juillet 1867, No. 224. — Vidari, Diritto commerciale, vol. II. 
591. — Reuling, Studium aus d. Gebiete des Lebensversicherungsrechtes, in Ztschr. für das 
ges. H.R. XV. 326 ff. — Hinrichs, Die Lebensversicherung, ihre wirthschaftliche und recht- 
liche Natur, ebendas. XX. 339 ff. — Predöhl, Ueber Lebensversicherung, EJ Ai. 
Residenzpflicht, d. h. die Pflicht des Inhabers eines Kirchenamtes am Sitze 
desselben anwesend zu sein, da dadurch allein die Erfüllung seiner ihm obliegenden 
Pflichten möglich wird. Die vielfachen, die Beobachtung der R. einschärfenden Vor- 
schriften in der katholischen Kirche erklären sich aus der Verweltlichung derselben im 
Mittelalter und der weitverbreiteten Sitte, wol die Einkünfte des Amtes zu ziehen,
	        
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