Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

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Gesetzgeber zu einer Aenderung des Strafrechts schreitet, giebt er nicht ein abfälliges 
Urtheil über das Werk seines Vorgängers, maßt sich nicht ein Besserverstehen an; 
er geht vielmehr davon aus, daß der gesellschaftliche Zustand ein anderer geworden 
und daß diese Wandlung auch eine Wandlung der Strafgesetzgebung bedinge. Eine 
Handlung, die ehedem den rächenden Arm des Strafrichters erheischte, kann jetzt 
vielleicht vor dem Strafgesetz ungeahndet vorübergehen und umgekehrt (unerlaubte 
Selbsthülfe, Kanzelparagraph, Sozialdemokratie u. s. w.). Was aber für das Ob, 
gilt auch für das Wie 
Aus dieser Erwägung folgt die grundsätzliche Richtigkeit des ersten Standpunkts. 
Die beigefügte Ausnahme wurzelt in einer Humanitätsrücksicht, welche auch der An— 
wendung einer von der gegenwärtigen Gesetzgebung verworfenen Strafart entgegen- 
tritt, obwol hierfür noch andere Gründe sprechen. Die hier vertretene Ansicht hat 
dem Ergebnisse nach im Deutschen Straf GB. Anerkennung gefunden. Dasselbe stellt 
als Regel auf: eine Handlung wird mit derjenigen Strafe belegt, welche auf sie zur 
Zeit ihrer Begehung gedroht war. Hat jedoch in der Zeit zwischen der Begehung 
und der Aburtheilung ein milderes Strafgesetz Geltung erlangt, so kommt dieses zur 
Anwendung, sollte es auch im Zeitpunkt der Urtheilsfällung wieder außer Kraft 
getreten sein (RStrafG B. § 2, vgl. mit § 4 letzter Absatz). Ob ein Strafgesetz 
milder ist als ein anderes, bemißt sich nach dem Gesammtergebniß, zu welchem die 
Anwendung eines jeden Gesetzes führt. Immer darf nur auf eine im Rötraf GB. 
aufgenommene Strafart erkannt werden (EG. zum RStraf G. § 6). 
2) Neue Prozeßgesetze bestimmen im Zweifel das Verfahren bei allen fortan 
der richterlichen Entscheidung unterstehenden Fällen, auch bei denjenigen, welche zur 
Zeit des Inslebentretens des neuen Gesetzes schon gerichtshängig waren. Indeß 
pflegen für die letzteren Sachen die Einführungsgesetze eine minder schroffe Grenz- 
scheidung zwischen dem alten und dem neuen Gesetz zu treffen, um Verwickelungen 
fern zu halten, welche sich aus der Anwendung beider Gesetze auf die verschiedenen 
Abschnitte des Prozesses leicht ergeben. Vgl. EßG. zur RStrafP- O. §§ 8—12 mit E. 
zur RCPO. 8§ 18—23. Die Rechtssätze über die Verjährung der Ansprüche (und 
Strafen) sowie über die Beweislast gehören zum materiellen Recht (Entsch, des 
ROPHG. XI. S. 339, XIV. S. 258). 
Lit.: Savigny, System, Bd. VIII. S. 368 ff. (1849), wo auch Nachweise. über die 
ältere Lit. — Scheurl, Beiträge zur a des Römischen Rechts, Bd. I. Nr. 
(1853). — Lassalle, Das System der erworbenen Rechte, Bd. I. (1861). — — 
Schmid, Die erschaß der Gesetze nach ihren räumlichen und zeitlichen Grenzen, S. 101 
bis 148, 186—254 4 (1863). — Rintelen, Ueber den Einfluß neuer Gesetze auf die zur Zeit 
ihrer Emanation bestehenden Rechtsverhältnife= 93 7 — Brinz, Pandekten (2. Aufl ) 
§ 21. — Kierulff, Theorie, S. 63— dscheid, Pandekten, 88 31—33. — 
Roth, Deutsches-Pripatrecht, 850; reetn B in Civilrecht, § 15. — Stobbe, Deutsches 
Privatrecht, §§ 27, — Goldschmidt, Handbuch des Handelsrecht= 8 39. — Förster, 
Preuß. Privatrechi, 10. — Unger, Hesterr. Privatrecht, 56 20, 21. — Zachariä, 
Französ. Civilrecht, 30. — Seeger, Ueber die rückwirkende KWet neuer Straf T 
1862. — v. Schwarze in v. Holtzendorff's SHandbuch des Deutschen Steasrecht, 
S. 25—30. — Binding, Die Normen, Bd. I. 78—96. — Berner, Lehrb., 
Geibe Lehrbuch, II. § 69. — Meyer, Secn 8 20. — Schüten Lehrbuch, 9 11. — 
Wächter, Das Sächsische und das Thüringische Strafrecht, 7 ff. — Dochow in 
P Holtzendorff's Handbuch des Deutschen Ctrafprozehrechte, Bd. I. S. 136. — Motive 
zum Entwurf des EG. zur RCO. 1874 § 15 (S. 489/90). F. Regelsberger. 
Rudhart, Ignaz, 3 11. III. 1790 zu Weißenau (Oberfranken), stud. in 
Bamberg und Landshut, 1811 Professor in Würzburg, trat 1817 wegen Gesund- 
heitsverhältnissen in den Staatsdienst über, zunächst als Fiskalrath, 1819 Ministerial- 
rath im Finanzministerium, 1823 Regierungsdirektor. 1825 zum ersten Mal in 
die zweite Kammer gewählt, nahm er an den Sessionen von 1825 und 1828, sowie 
an den stürmischen und verhängnißvollen von 1831 und 1834 einen auch als 
Redner glänzend hervorragenden Antheil. Er vertrat die Interessen der Freiheit
	        
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