Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

524 Säkularisation. 
232 ff. — Walter, Naturrecht, §§ 124, 202. — Ahrens, Naturrecht, 6. Aufl. 1870, I. 
S. 204. — Dühring, Kritische Geschichte der Nationalökon. und des Sozialismus, 1871, 
S. 238. Teichmann. 
Säkularisation heißt im Allgemeinen die vom Staate einseitig vorgenommene 
Aufhebung kirchlicher Institute und die Einziehung des Vermögens dexselben, um 
das letztere nach seinem Gutbefinden zu verwenden. Schon im frühen Mittelalter 
bietet die von Karl Martell oder von seinen Söhnen vorgenommene Einziehung 
eines großen Theiles der Kirchengüter, um dieselben an seine Vasallen auszuleihen, 
das Beispiel einer S. Im Reformationszeitalter trat im Jahre 1525 in Deutsch- 
land ein allgemeiner S.entwurf hervor. Indem dieser davon ausging, daß die 
geistlichen Güter weder für die Religion noch das Reich etwas nütz seien, schlug er 
vor, den geistlichen Fürsten die Verwaltung ihrer Territorien von Kaiser und Reichs 
wegen abzunehmen und aus den eingezogenen Gütern den für die kirchlichen Beamten 
nöthigen Unterhalt anzuweisen, dann aber auch in jedem Kreise eine hohe Schule 
zu errichten. Zur Ausführung dieses Planes kam es nicht. Dagegen wurde in den 
protestantischen Territorien das Vermögen der Kapitel und Klöster theils zu Unter- 
richtszwecken (zur Ausstattung von Schulen und Universitäten), theils zu Ver- 
sorgungsanstalten für gewisse berechtigte Klassen (z. B. zu adligen Fräuleinstiftern) 
verwendet, theils auch als bonum vacans vom Staate eingezogen. Das Vermögen 
der Bisthümer schmolz dagegen allmählich mit den landesherrlichen Domänen zu- 
sammen, indem Mitglieder der betreffenden landesherrlichen Familien zu Admini- 
stratoren gewählt wurden, bis eine Reihe dieser früheren geistlichen Fürstenthümer 
im Westfälischen Frieden säkularisirt, d. h. entweder in weltliche Herzogthümer 
verwandelt oder an protestantische Landesherren zur Entschädigung gegeben wurde. 
In Frankreich hat im Jahre 1789 die Nationalversammlung alle geistlichen Güter 
für Nationaleigenthum erklärt. Nachdem Deutschland im Jahre 1801 durch den 
Frieden von Luneville das linke Rheinufer an Frankreich hatte abtreten müssen und 
gleichzeitig die dadurch beeinträchtigten weltlichen Fürsten auf eine Entschädigung aus 
den Mitteln des Reiches verwiesen worden waren, hob der Reichsdeputationshaupt- 
schluß von 1803 mit sehr geringen Ausnahmen alle reichsunmittelbaren geistlichen 
Fürstenthümer und Herrschaften auf und vertheilte ihre Territorien und Besitzungen 
unter die weltlichen, meistentheils protestantischen Reichsstände. Wenn die katholische 
Kirche schon damals, und nachher, als auf dem Wiener Kongreß die von dem 
päpstlichen Gesandten beantragte völlige Herstellung des früheren Zustandes von der 
Hand gewiesen war, protestirt hat, so lag dazu, soweit es sich um die Landeshoheit 
und landesherrlichen Güter der früheren geistlichen Fürstenthümer handelte, nicht die 
mindeste innere Berechtigung vor, da diese als Staaten sich absolut unfähig gezeigt 
hatten, die Staatszwecke zu erfüllen. Hinsichtlich des eingezogenen eigentlichen Kirchen- 
gutes war allerdings an der Kirche ein Unrecht verübt worden, aber dieses wurde theils 
durch die Verbindung landesherrlicher und kirchlicher Rechte hervorgerufen, theils war 
es der Rückschlag gegen die übermäßige Vermehrung des Vermögens in der todten 
Hand. Da jedenfalls formell der Staat das Recht hat, die Güter seiner Unterthanen 
durch Gesetz einzuziehen und der Reichsdeputationshauptschluß durch kaiserliche Ge- 
nehmigung Reichsgesetz geworden ist, so kann der Eigenthumsübergang an jenen 
Vermögensstücken nicht angefochten werden und von einem fortdauernden Eigenthum 
der katholischen Kirche nicht die Rede sein. Selbstverständlich gilt das nur von 
solchen Rechten, welche eine vermögensrechtliche Natur haben oder Accessionen der- 
selben sind, nicht von den rein kirchlichen Rechten, welche die früheren Bischöfe als 
Landesherren ausgeübt hatten. Ferner ist es eine, zwar nicht klagbare, aber doch 
auf der Gerechtigkeit beruhende Verbindlichkeit, daß ein Staat, in dessen Hand ein 
großer Theil von Kirchengut durch S. gelangt, der durch die letztere betroffenen 
Kirche ausreichende Mittel für ihre religiösen und Kultuszwecke gewährt. Der 
Reichsdeputationshauptschluß hatte zwar eine so weitgehende Verpflichtung für die Staaten,
	        
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