Schiffer. 569
Schiffer (Schiffskapitän, Th. I. S. 544) im juristischen Sinne ist der Führer
eines Seeschiffes. Derselbe kann Eigenthümer eines solchen, oder Angestellter der
Rheder sein; und im letzteren Falle kann er, wenn das Schiff einer Rhederei gehört,
selbst Mitrheder oder ein Fremder sein. Ist der S. Angestellter des Rheders, so
kann er jederzeit von demselben entlassen werden, unbeschadet der aus dem Dienst-
verhältnisse ihm zustehenden Entschädigungsansprüche.
Die Stellung des S. hat eine privatrechtliche Bedeutung einmal im Verhältniß
zu den Rhedern und dann den Ladungseigenthümern und fonstigen dritten Personen
gegenüber. In letzterer Hinsicht begründet es keinen Unterschied, ob der S. alleiniger
Eigenthümer des Schiffes ist oder nicht, während das erstere Verhältniß nur im
zweiten Falle in Frage kommen kann. Hierbei ist es indeß irrelevant, ob der
Kapitän zugleich Mitrheder ist. Auch eine zwiefache Quolität des S. haben die
auf ihn bezüglichen seerechtlichen Regeln im Auge, nämlich seine QOualität als Führer
des Schiffes und seine Qualität als Vertreter der Rheder und der Ladungsinteressenten.
Der Kapitän hat bei allen Dienstverrichtungen „die Sorgfalt eines ordentlichen
S. anzuwenden“, so daß jede Verletzung der nach den Gesetzen oder den Anschauungen
der Berufsgenossen einem solchen obliegenden Pflichten als ein Verschulden angesehen
wird, für welches er, wenn es einen Nachtheil zur Folge gehabt, zu haften hat,
und zwar nicht nur dem Rheder gegenüber, sondern auch den Ladungsinteressenten,
den Reisenden, der Schiffsbesatzung, den Schiffsgläubigern, deren Forderungen aus
Kreditgeschäften entstanden sind. Das Gesetz macht dem S. ausdrücklich zur Pflicht,
alle im Seeverkehr üblichen Maßregeln für die Erhaltung von Schiff und Ladung
und für die glückliche Vollendung der Reise zu treffen. Zu seinen besonderen Ob-
liegenheiten gehört die Aufsicht über die (regelmäßig dem Steuermann obliegende)
Führung des Journals, in welches für jede Reise alle erheblichen Begebenheiten der-
selben eingetragen werden, und die Ablegung einer Verklarung (Seeprotestes,
s. diesen Art.) bei jedem während der Reise eingetretenen Unfall. Journal, wie Ver-
klarung gelten als Beweismittel, wennschon die gesetzlich normirte Beweiskraft, welche
ihnen das Deutsche HGB. beilegt, durch die RPO. (EG. § 13) in Folge des
Abgehens von der alten Beweistheorie beseitigt ist.
Die Stellvertreterqualität des S. ist die naturgemäße Folge des Umstandes,
daß es in der großen Mehrzahl der Fälle dem Interesse des Rheders nicht ent-
sprechen dürfte, wenn durch ihn die beim Rhedereigewerbe vorkommenden Geschäfte
von seinem Aufenthaltsorte aus, auch während das Schiff auf der Reise ist, würden
vorgenommen werden; daß auch das Interesse der Ladung häufig die Vornahme von
Rechtshandlungen erheischt, welche die Ladungsbetheiligten, die jetzt nicht mehr, wie wol
im Mittelalter, die Ladung begleiten, sich auch regelmäßig nicht mehr durch einen an
Bord befindlichen Kargadeur vertreten lassen, nicht mit dem gewünschten Erfolge vor-
nehmen könnten. Während nun nach Röm. Recht der Umfang der Vertretungsbefugnisse
des magister navis im Verhältniß zum Rheder sich nach der speziellen lex prae-
positionis richtete (I. 1 § 7 D. de exerc. act. [14, 1|)), so hat das neuere See-
recht den S. mit einer gesetzlichen Vollmacht, sowol des Rheders wie der Ladungs-
betheiligten, ausgestattet, und zwar macht sich hierbei das Prinzip der direkten Stell-
vertretung geltend. Soweit es möglich ist, soll der S. nach den Anweisungen der
Rheder und der Ladungsbetheiligten handeln, sonst hat er sich durch das wohlver-
standene Interesse der einen und der anderen leiten zu lassen. Selbstverständlich ist
derselbe in Betreff der zu ergreifenden Maßregeln innerhalb der durch die Pflicht, nach
Seemannsgebrauch zu handeln, ihm gezogenen Grenzen auch gegenüber den Ladungs-
betheiligten sehr frei gesta¼lt. So räumt ihm das Deutsche Gesetz sogar ausdrücklich
die Befugniß ein, die Reise, deren Fortsetzung in der ursprünglichen Richtung der
Zufall unmöglich macht, zu ändern, zeitweise einzustellen oder auch ganz aufzugeben.
Am eingehendsten hat dieses Stellvertretungsverhältniß das Deutsche OG# B. geregelt,
wennschon die hier zur Geltung gelangten Grundprinzipien sich ebenso in den fremden