606 Schulbauten, Schulbeiträge, Schulgeld.
nach dem System des Englischen sellgovernment. Das Preuß. LR. unter dem per-
sönlichen Einfluß des Großkanzlers von Carmer erhebt dies System sogar zur
normalen Bildung mit einem neugebildeten Steuersystem. „Die Unterhaltung der
Schulen liegt den sämmtlichen Hausvätern jedes Orts ob, ohne Unterschied des Glaubens=
bekenntnisses.“ Andererseits „soll Niemandem wegen Verschiedenheit des Glaubens-
bekenntnisses der Zutritt in öffentliche Schulen versagt werden“. Die Aufbringung
der Mittel erfolgt in der Regel nach dem Maßstab der direkten Staatssteuern.
„Sind jedoch für die Einwohner verschiedenen Glaubensbekenntnisses von einem
Orte mehrere gemeine Schulen errichtet: so ist jeder Einwohner nur zur Unterhaltung
des Schullehrers von seiner Religionspartei beizutragen verbunden“ (Allg. LR
II. 12 § 30). Die Rechtsprechung der Gerichtshöfe hat diese landrechtlichen Schul-
sozietäten als öffentlich-rechtliche Korporationen (Verwaltungsgemeinden) folgerichtig
anerkannt und weiter gebildet. Das System derselben wurde auch auf die neuen
Landestheile ausgedehnt, weil es ein unentbehrliches Glied des Preuß. Verwaltungs-
rechts geworden war. Noch heute sind in Preußen 55.000 kleine Kommunaleinheiten
vorhanden, von welchen die Mehrheit keine Kommunalschule für sich allein erhalten kann.
Die noch vorhandenen 15,000 Gutsbezirke sind dazu in der Regel außer Stande ebenso
wie die noch vorhandenen 15.000 Kleingemeinden unter 200 Seelen. Dasselbe gilt von
vielen Tausend Gemeindeverbänden, in welchen eine konfessionelle Minorität wohnt,
für die sich keine besondere Schule einrichten läßt. Das System der Schulsozietäten
besteht daher in Preußen in bunter Vermengung mit dem unter 3 bezeichneten
Gemeindeprinzip. In großen Landestheilen und zahlreichen Orten hat sich an
Stelle der Schulsozietäten die Verbindung der Schullast mit der politischen
Gemeinde als Herkommen gebildet und erhalten. Die großen Gemeindeverbände,
welche die dazu erforderlichen Mittel besitzen, sind auf dem Wege der Autonomie
demselben natürlichen Zuge gefolgt, so daß im Jahre 1876 von 170 Ortschaften
über 10 000 Seelen etwa 150 die Schullast als gemeine Last der politischen Ge-
meinde behandeln, nur etwa 20 noch als Sozietätslast. Eben daraus ergiebt sich
nun aber
5) als fünfter Schritt insbesondere für Preußen die Nothwendigkeit einer
Regelung der Schulunterhaltungspflicht durch einheitliche Normen des Ver-
waltungsrechts, also nach einem dem Englischen selfgovernment analogen System.
Der Preußische Staat ist damit nur zu Stande gekommen für die Provinz Preußen
durch ein Provinzialgesetz von 1845. Als man im Begriff war, für die übrigen
Provinzen gleichartige Gesetze zu erlassen, stieß man auf eine Reihe von Streit-
punkten, welche den Erlaß eines allgemeinen Schulgesetzes bis heute verhindert
haben, während in den Mittel= und Kleinstaaten die Aufgabe viel leichter zu lösen
war. Das Ziel dieser Gesetzgebung ist unzweifelhaft die Behandlung der Schul-
unterhaltung als gemeine Kommunallast, und zwar in der Weise, daß die laufende
Unterhaltung den Einzelgemeinden, die Schulbaulast nur den größeren
Verbänden, eine Reihe von Generalkosten der Staatskasse zur Last zu legen
sind. Der Erreichung dieses Ziels steht bis jetzt entgegen (1) der Anspruch der
Kirchen auf die ausschließliche Gestaltung der Schulen für die Kinder eines kirchlichen
Bekenntnisses, welche in der beanspruchten Weise mit dem Schulzwang, mit der
gemeinen Last der Schulunterhaltung und mit der konfessionellen Mischung der
Deutschen Bevölkerung in Folge der Freizügigkeit unvereinbar ist, (2) das Fort-
bestehen der Gutsbezirke und der Kleingemeinden in Preußen, welches für die größere
Hälfte der vorhandenen Kommunaleinheiten eine durchgreifende gesetzliche Regel und
eine angemessene Vertheilung der Lasten auf größere Verbände unausführbar macht,
(3) die noch bestehende Steuerautonomie der Gemeinden, welche ein so buntes
System der Vertheilung der Gemeindelasten erzeugt hat, daß es schwer wird, zwei
benachbarte Land= oder Stadtgemeinden zu finden, welche ein und dasselbe System
der Lastenvertheilung für ihre Gemeinde= und Schulbedürfnisse befolgen. Durch die