Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Schwurgerichtshof. 643 
gerichtsverfahrens oder der herkömmlichen Einrichtungen desselben sich ergebenden Modi- 
fikationen des Verhältnisses zum Vorsitzenden s. d. Art. Schwurgerichtspräsident. 
Bezüglich der Urtheilsfällung beschränkt sich die Thätigkeit des S. auf die Vorberei- 
tung der Entscheidung der Geschworenen durch seine entscheidende Mitwirkung bei der 
Feststellung der an dieselben zu richtenden Fragen, die Prüfung des Wahrspruches 
und die Ziehung der rechtlichen Konsequenzen desselben durch Freisprechung des An- 
geklagten oder Verurtheilung desselben wegen der im Wahrspruch konstatirten straf- 
baren Handlung, Verhängung der Strafe, Entscheidung über die Prozeßkosten und, 
wo der Adhäsionsprozeß gilt, über die privatrechtlichen Ansprüche. 
In England, dem Stammlande unserer Jury, werden Schwurgerichtssitzungen 
immer nur periodisch, und die wichtigeren von den die Grasschaften abwechselnd be- 
reisenden königlichen Richtern abgehalten. Daher kam es, daß man in Frankreich 
und darauf in Deutschland, sowol die Periodizität der Schwurgerichtssitzungen, als auch 
eine gewisse Abwechselung in der Zusammensetzung des Schwurgerichtshofes nach- 
ahmte. Während aber in England die Richterbank in der Regel von einem Einzel- 
richter eingenommen wird, verlangte das Französische Gesetz ein Kollegium von fünf 
(später von drei) Richtern, welche Einrichtung in Deutschland beibehalten wurde. 
Aus dem Englischen Recht stammt auch, obgleich das Wort assize dort in einem 
anderen Sinne gebraucht wird, der für die Schwurgerichtsperiode übliche Ausdruck: 
Assisen, und die Benennung: Assisenhof (Cour d'Assise). Diese Einrichtungen sind 
in den neuesten Gesetzen Deutschlands und Oesterreichs beibehalten worden. Das 
Deutsche G. bringt den S. mit den Landgerichten in Verbindung (§ 79), ge- 
stattet jedoch einerseits, daß die Landesjustizverwaltung die Bezirke mehrerer Land- 
gerichte zu einem Schwurgerichtsbezirk zusammensetze, wobei jedoch immer ein be- 
stimmtes Landgericht die für die S. nöthigen Geschäfte in erster Linie zu übernehmen 
hat (§ 99), andererseits daß die Strafkammern des Landgerichtes einzelne Sitzungen 
des Schwurgerichts an einen von seinem Sitz verschiedenen Ort des Sprengels ver- 
legen (§ 98). Prinzipiell hat das Landgericht (eventuell haben die Landgerichte des 
Schwurgerichtssprengels) die zwei Mitglieder des S., welche neben dem Vorsitzenden 
das Kollegium bilden, zu stellen; die Auswahl ist dem Präsidenten des Landgerichtes 
überlassen (§ 83 Abs. 2). Da der S. keine ständige Abtheilung des Landgerichtes 
ist, sondern erst für eine bestimmte Session und nur für deren Dauer zusammengesetzt 
wird, muß für die Wahrnehmung der sonst dem erkennenden Gerichte zukommenden 
Geschäfte außer der fraglichen Zeit besondere Vorsorge getroffen werden; es geschieht 
dies durch § 82 des GVG., welcher die außerhalb der Dauer der Sitzungsperiode 
erforderlichen Entscheidungen (so weit solche nicht ausdrücklich auf den Schwurgerichts- 
präsidenten übertragen sind, z. B. § 94) den Strafkammern der Landgerichte überträgt. 
Auch die Oesterr. StrafP O. bringt den S. mit dem Gerichtshof erster In- 
stanz in Verbindung; „an dem Sitze jedes Gerichtshofes erster Instanz werden alle 
drei Monate die ordentlichen Schwurgerichtssitzungen abgehalten“, gestattet aber 
ebenfalls, daß eine Sitzung des Geschworenengerichtes statt am Sitze des Gerichtshofes 
an einem anderen Orte abgehalten werde (§ 297). Die zwei Mitglieder des S. 
und zwei Ergänzungsrichter werden vom Vorsteher des Gerichtshofes erster Instanz 
aus dessen Mitgliedern oder aus der Zahl der Bezirksrichter des Sprengels ernannt 
(§ 301). Für die Entscheidungen, welche außer der Sitzungsperiode in Schwur- 
gerichtssachen zu fällen sind, ist theils von Fall zu Fall (z. B. durch die Zuweisung 
an die Rathskammer, §§ 225—227), theils durch die allgemeine Bestimmung des 
letzten Absatzes des § 13 vorgesorgt, wo verfügt ist, daß dieselben vom Gerichtshof 
erster Instanz in Versammlungen von drei Richtern zu füällen sind. 
Gsgb. u. Lit.: 5ruer:; Die Deutschen Schwurgerichtsgesetze, S. 46 ff. — Zachariä, 
Deutschel me II. S. 291 ff. — Die nach Paragraphen geordneten Kommentare zur 
Deutschen und Oesterreich. StrafPS. s. dies. bei dem Art. Ablehnung der Geschworenen 
41“ 
 
	        
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