Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

644 Schwurgerichtspräfident. 
und die hinter d. Art. Schwurgericht angeführte Lit. — Dochow, Der Reichsstrafprozeß, 
S. 28, 29. — v. warze in v. Holtzendorff's Handbuch, II. S. 551. — Ullmann, 
Das Oesterr. Strafprozeßrecht (Innsbr. 1879), S. 172, 173. Glaser. 
Schwurgerichtspräsident ist der Vorsitzende des Schwurgerichtshofes 
(s. diesen Art.) und eben dadurch auch des ganzen aus Richterbank und Geschwore- 
nenbank bestehenden Schwurgerichtes. Die nicht ständige Beschaffenheit des Schwur- 
gerichtes, dessen periodischer Zusammentritt (Einrichtungen, welche übrigens mit dessen 
Wesen nicht untrennbar zusammenhängen) hat es mit sich gebracht, daß der S. für 
jede Sitzungsperiode speziell ernannt wird. Die Ernennung kommt nach dem 
Deutschen GV. (§ 883), wie nach der Oesterr. StrafP# O., dem Präsidenten des 
Oberlandesgerichtes zu. Die Auswahl ist nach ersterem Gesetze unter den Mit- 
gliedern des Oberlandesgerichtes oder der zu dessen Bezirke gehörigen Landgerichte zu 
treffen; nach dem Oesterr. Gesetze soll in der Regel der Präsident des Gerichtshofes 
erster Instanz, bei welchem das Schwurgericht abgehalten wird, zum Vorsitzenden 
ernannt werden; doch kann die Ernennung auch auf ein Mitglied des Oberlandes- 
gerichtes oder des betreffenden Gerichtshofes erster Instanz fallen. Zum Stellvertreter muß 
nach Oesterr. Recht der Oberlandesgerichtspräsident ein Mitglied des Gerichtshofes erster 
Instanz ernennen; nach dem Deutschen Gesetze entnimmt ihn der Präsident des 
Landgerichtes der Zahl der Mitglieder dieses Gerichtes. Bis zur Ernennung des 
S. und seines Stellvertreters erledigt dessen Geschäfte der Vorsitzende der Strafkammer 
(Deutsches G. § 83 Abf. 3). 
Im Allgemeinen ist die Stellung des S. namentlich dem Gericht gegenüber 
dieselbe, welche überhaupt der zum Vorsitz in der Hauptverhandlung berufene Richter 
einnimmt. (S. d. Art. Gerichtsvorsitzender.) Es liegt aber in der Natur 
der Sache, daß er gewisse Verrichtungen vorzunehmen hat, welche bei anderen Ver- 
fahrensarten nicht vorkommen und insbesondere aus dem Umstande sich ergeben, daß 
er der Vorsitzende eines Doppelkollegiums und das Organ ist, durch welches die 
Richterbank mit der Geschworenenbank verkehrt. Nach Französischem Gesetz werden 
dem Assisenpräsidenten allerdings auch noch weitergehende Befugnisse beigemessen, die 
sich theils auf die Vorbereitung der Hauptverhandlung, theils auf die Leitung des 
Beweisverfahrens in der Hauptverhandlung beziehen. In letzterer namentlich äußert 
sich dessen sog. diskretionäre Gewalt (pouvoir discretionnaire). Mit Recht 
aber haben die Deutsche, wie die Oesterr. StrafP O. in dieser Hinsicht dem S. als 
solchem eine Ausnahmestellung nicht mehr gewährt; es hat in dieser Hinsicht der 
S. keine anderen Befugnisse, als welche das betreffende Gesetz auch jedem anderen 
Vorsitzenden in der Hauptverhandlung einräumt. Die hervorragendste und einfluß- 
reichste Eigenthümlichkeit in der Stellung des S. liegt in dem Antheil, den er an 
der Fassung der an die Geschworenen zu richtenden Fragen nimmt (s. d. Art. 
Fragestellung) und in dem Schlußvortrage, den er den Geschworenen zu halten 
hat (s. d. Art. Resumo). 
Abgesehen hiervon sind namentlich folgende Funktionen dem S. befonders zu- 
gewiesen: An ihn gelangt die Spruchliste der Geschworenen (s. diesen Art.) und 
er veranstaltet die Ladung der darin benannten Personen (G. 8§ 92, 93). Er 
entscheidet, so lange das Schwurgericht noch nicht zusammengetreten ist, über die von 
Geschworenen geltend gemachten Ablehnungs= und Hinderungsgründe (§ 94 daselbst) 
und besorgt die Ausloosung anderer Geschworenen statt der aus der Spruchliste weg- 
gefallenen (Abs. 2 daselbst). Er bestimmt, ob wegen längerer Dauer einer Ver- 
handlung Ergänzungsgeschworene ((. diesen Art.) beizugeben seien (GVG. 
§ 194). Er leitet die Konstituirung der Geschworenenbank, indem er zunächst für 
die Vollständigkeit der zur Verfügung stehenden Geschworenen sorgt, sodann die Aus- 
loofsung der Geschworenen (s. d. Art. Ablehnung der Geschworenen, Ge- 
schworene) vornimmt und die Geschworenen beeidigt (StrafP O. §§ 280 und 288). 
Er authentifirt die an die Geschworenen gerichteten Fragen, indem er den Fragebogen
	        
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