Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Seefrachtgeschäft. 649 
Der symbolischen Demüthigung unter die Gewalt des honorirten Schiffes oder 
Staates dient folgendes Ceremoniell: Das Flaggenstreichen durch Anziehen oder 
Neigen der Flagge, nur bei Kriegsschiffen gebräuchlich, zur Anerkennung der Ober— 
hoheit des geehrten Staats, oder zur Anerkennung seiner Gebietshoheit; sowie das 
Segelstreichen, bei Privatschiffen in gleicher Bedeutung, bestehend im Herablassen 
der Marssegel. Das Abnehmen der Flagge und ihre Ersetzung durch eine weiße 
kommt nur in Seegefechten vor zum Zeichen, daß das Schiff sich ergeben wolle. 
Für die Anwendung dieser Ceremonien auf offener See besteht eine rechtliche 
Verpflichtung nur insoweit, als eine solche vertragsmäßig übernommen ist. Indeß 
verlangt doch eine anerkannte internationale Courtoisie, daß begegnende Kriegsfahr= 
zeuge sich untereinander salutiren. Insbesondere pflegen noch in der Gegenwart 
Admiralschiffe den ersten Gruß zu verlangen, dazu auch wol durch einen Schuß 
mit losem Kraut aufzufordern. Zuerst grüßt das Schiff, dessen Führer den 
niedrigeren Rang hat; bei Ranggleichheit derselben das unter dem Winde befind- 
liche. Kriegsgeschwader werden von einzelnen Schiffen zuerst gegrüßt, ebenso Haupt- 
flotten von Hülfsgeschwadern. Auch Privatschiffe entziehen sich Kriegsfahrzeugen 
gegenüber dieser Courtoisie nicht; doch wird die Unterlassung des Schiffsgrußes 
ihnen nicht als Unhöflichkeit angerechnet, wenn sie im vollen Laufe begriffen sind. 
Dem Fall der Begegnung auf hoher See wird der des Zusammentreffens im fremden 
Hafen gleich behandelt. — Durch Verträge ist indeß mehrfach jedes internationale 
Ceremoniell für Begegnungen auf offener See und im fremden Hafen beseitigt oder 
sehr beschränkt worden. Insbesondere hat Rußland mehrere dahin abzielende Ver- 
träge abgeschlossen. Andere Staaten haben ihren Marinen bisweilen den ersten 
Gruß überhaupt verboten, und gestatten nur Gegengruß, so namentlich England 
und Frankreich (Ordonnance 1 Juillet 1831; Martens, Nouv. rec. X. 1837, 
p. 380). Ein neues von den Seemächten getroffenes, auf Vereinfachung des Schiffs- 
grußes gerichtetes Abkommen ist seit dem 1. Juli 1877 ins Leben getreten. 
Im Territorialwasser — sofern diese Eigenschaft nur überhaupt anerkannt 
wird — kann jeder Staat verlangen, daß das von ihm für das Befahren desselben 
und die Ankunft im Hafen festgesetzte Ceremoniell von allen fremden Schiffen be- 
obachtet werde, vorausgesetzt, daß ein solches nicht kränkend und erniedrigend ist. 
Völkerrechtlich anerkannt ist hier der Anspruch, den die Kriegsmarine jedes Staates 
in ihrem eigenen Seegebiete auf den ersten Gruß hat, sowol seitens fremder Kriegs- 
als Privatschiffe, Flotten oder Eskadren. Der Gruß hat durch Kanonenschüsse und 
Flaggenstreichen zu erfolgen, der Gegengruß erwiedert blos die Salve. Desgleichen 
wird eine Festung, unter deren Kanonen ein fremdes Schiff vorbeifährt, in derselben 
Weise salutirt: sie dankt dann durch Kanonenschüsse, es sei denn, daß der Souverän 
dort augenblicklich residire. Kriegsschiffe salutiren bei ihrer Ankunft in Häfen nur 
dann, wenn sich dort Garnison befindet; in solchem Falle liegt auch dem Führer 
des Schiffes die erste Visite bei dem Kommandanten des Platzes ob. Fremden 
Souveränen, sowie ihren Botschaftern werden, wenn sie sich dem Hafen nähern, 
von dem empfangenden Staate die Honneurs gemacht, wobei lediglich dessen Er- 
messen entscheidet. 
Lit Bynkershoek, (Quaest. jur. publ. II, 21 (ed. 2 1751). — J. J. Moser, 
Verm. Abhandl. aus dem VBölkerrecht, II. 6. — F. C. v. Moser, Kl. Schriften, IX. 287; 
X. 218; XII. 1. — Nau, Völkerseerecht, Hamb. 1802, §§ 135—145. F. v. Martitz. 
Seefrachtgeschäft (Th. I. S. 545) ist der Vertrag, welcher die Beförderung 
von Gütern zur See gegen einen Entgelt (Fracht) zum Gegenstande hat. Geschlossen 
wird derselbe zwischen dem Befrachter, welcher sich den Transport der Waaren aus- 
bedingt, und dem Verfrachter (d. i. Rheder oder in dessen Vertretung Schiffer), welcher 
den Transport auszuführen übernimmt. Der im Seeverkehr noch vorkommende Ab- 
lader ist der, welcher die Ladung liefert. Häufig sind Befrachter und Ablader dieselbe
	        
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