Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

696 Solidarobligation und Korrealobligation. 
I. Vorerst aber ist noch von Entstehung der Gesammtobligation zu handeln. 
1) Für die Korrealobligation ist im Römischen Recht nur ein Ent- 
stehungsgrund völlig erweislich; es ist der Fall, von welchem die Theorie der 
Korrealobligation ausgeht: die Stipulation zwischen mehr als zwei Personen (pr. 
I. 3, 16; fr. 2 D. 45, 2; c. 2 C. 8, 39). Das Gemeine Recht läßt vaher die 
Korrealobligation entstehen durch Vertrag, wenn z. B. Mehrere sich ausdrücklich 
verpflichten „alle für einen, einer für alle“, „sammt und sonders“, „Zur ungetheilten 
Hand“" haften zu wollen, aber auch durch gesetzliche Vorschrift und als passive 
Korrealobligation durch Vermächtniß „zu Lasten des A oder B“ (fr. 25 pr. D. 32; 
nicht als aktive Korrealobligation beim Vermächtniß „an Aoder B“, c. 4 C. 6, 38). 
Die Fälle sog. gesetzlicher Begründung von Korrealobligationen sind übrigens nicht 
alle zweifellos. Als sichergestellt mag betrachtet werden die Schuldnermehrheit bei 
den actiones adjecticiae qualitatis und bei Miteigenthum an einem schädigenden 
Thiere. Dagegen ist es nicht zweifellos Korrealobligation, wenn „ein Vertrag da- 
hin abgeschlossen wird, daß in eine durch eine andere Thatsache begründete Obliga- 
tion ein neuer Gläubiger oder Schuldner hineintreten solle“ (Windscheid, Pand., 
II. § 297, 3). Dahin gehört das Rechtsverhältniß zwischen Hauptschuldner und 
Bürgen, sowie das zwischen dem Cedenten und dem Cessionar vor der erforderlichen 
denunciatio an den debitor cessus. Die Quellen setzen jedenfalls durchgehends den 
fidejussor und reus den plures rei promittendi entgegen und bei der Cession gilt 
der Cedent doch wohl schon vor der denunciatio nicht mehr als forderungsberechtigt 
(vgl. Thl. I. 408, 425). — Daß richterliche Entscheidung ein Korrealverhältniß 
begründen könne, ist weder auf Grund von kfr. 43 D. 42, 1; c. 2 C. 7, 55 zu be- 
jahen, noch allgemein zu verneinen, nämlich möglich ist es im Theilungsprozeß. 
2) Auch die „bloße Solidarität“" kann durch Vertrag begründet werden, wie es nach 
den Ouellen bei der auf dem Wege des Kreditmandats und des constitutum ein- 
gegangenen Bürgschaft der Fall ist (fr. 59 8 3 D. 17, 1; fr. 52 § 3 D. 46, 1; 
fr. 18 § 3 D. 13, 5; vgl. mit Nr. II. 1 unten). Der Hauptfall ist aber hier die 
Gemeinsamkeit der Verantwortung für angerichteten Schaden und diese liegt nicht 
blos vor bei gemeinsam verübten Delikten, sondern auch dann, wenn eine Sache 
mehreren Personen zur Aufbewahrung übergeben oder geliehen wurde, wenn mehrere 
Mandatare dasselbe Geschäft übernahmen, ferner im Verhältniß mehrerer Mitvor- 
münder, im Verhältniß mehrerer Bewohner eines Gemaches gegenüber der actio de 
effusis vel deiectis, sobald in diesen Fällen eine Verletzung des bestehenden Rechts- 
verhältnisses eintritt (Czyhlarz, a. a. O. 60 ff.). Man pflegt den Unterschied 
dieser Begründungsarten der Solidarobligation von denen der Korrealobligation meist 
in der Mehrheit der Verpflichtungsakte zu erblicken, z. B. das Wohnen des 4A sei 
nicht das Wohnen des B u. s. w. (Windscheid, § 298, 17). 
3) Für die zweite Art von Solidarität kommt keine besondere Begründungsart 
in Frage, es müssen nur irgendwie Obligationen begründet sein, welche dasselbe un- 
theilbare Leistungsobjekt zum Erfüllungsgegenstand haben. 
II. Von den Wirkungen der Gesammtobligation sind folgende hervorzuheben: 
1) Durch litis contestatio eines Korrealgläubigers gegen einen Korrealschuldner 
ward nach klassischem Römischem Recht die Obligation für alle übrigen auf aktiver oder 
passiver Seite Betheiligten konsumirt, die exceptio rei in judicium deductae wirkte, 
mochte der Prozeß ausgehen, wie er wollte, gegen alle Gläubiger und zu Gunsten 
aller Schuldner. Bei den Solidarobligationen dagegen trat die Konsumtion des 
obligatorischen Anspruchs zum Nachtheil aller Mitgläubiger und zum Vortheil aller 
Mitschuldner nicht ein. Dieser Unterschied in der Wirkung war es gerade, welcher 
den Begründer der Trennung von Korreal= und anderen solidarischen Obligationen 
auf diese Unterscheidung führte. Jedoch im Justinianischen Rechtsbuch ist die kon- 
sumirende Kraft der litis contestatio bei Korrealobligationen nur noch für die aktive 
Seite anerkannt (z. B. fr. 16 D. 45, 2; fr. 5 i. f. D. 46, 1), die Befreiung der
	        
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