722 Spezifikation.
Spezistkation. ein den Römischen Quellen nachgebildeter (er materia speciem
facere: § 25 I. 2, 1; fr. 7 §7 D. 41, 1), zuerst im Brachylogus II. 5 als
technischer sich findender Ausdruck, bezeichnet eigentlich die Gestaltung eines noch
ungestalteten Stoffes zu einer körperlichen Sache bestimmter Art, dann aber über-
haupt die Neugestaltung einer vorhandenen Sache zu einem Objekt anderer Art.
Daß die neue Sache anderen Namens und Begriffes sei, als die bisherige, ist noth-
wendig; der bloße Stoffwechfe, z. B. in Folge fortgesetzter Reparaturen, ist noch
keine S. (fr. 76 D. 5, 1). —
Juristisch kommt' die Thatsache der S. nun als Untergang der bisherigen Sache
in Betracht, insofern es sich fragt, ob die bestehenden Rechte an dem bisherigen Ob-
jekt auf die Neugestalt übergehen. Das ist z. B. nicht der Fall hinsichtlich der
Personalservituten (Arndts, Pand., § 194, b) und nicht hinsichtlich des Ver-
mächtnißanspruches (fr. 88 D. 32; fr. 44 2, 3 D. 30); ebenso geht an der
früheren Sache das Eigenthum unter, und es beginnt ein neues, gleich dem neuen
Eigenthumsrecht an der separirten Frucht. Dieses neue Eigenthum an der neu-
gestalteten Spezies sollte eigentlich ebenso wie das Fruchteigenthum dem Eigenthümer
der früheren Sache zufallen, und das war denn auch die Meinung der Sabiniani-
schen Rechtsschule (anderer Meinung: diese hätte kein neues Eigenthum angenom-
men: Brinz, § 149, 15 ff.); allein die Prokulianer waren anderer Ansicht: sie
meinten, das Eigenthum der neugeschaffenen Spezies falle dem Spezifikanten zu,
also dem bisherigen Eigenthümer nur, wenn er selbst die S. vorgenommen habe,
sonst gehe es letzterem verloren (Gai. II. 79). Ueber die rechtliche Grundlage dieser
neuen Meinung, ob die S. als Okkupation der neuen herrenlosen Sache betrachtet
wurde oder ob man den Eigenthumserwerb als Lohn der Arbeit gewähren wollte,
herrscht Meinungsverschiedenheit (Windscheid, § 187, 2); jedenfalls recipirte
Justinian die Auffassung der Prokulianer nicht ohne die Modifikation, daß der
fremde Spezifikant nur Eigenthümer werde, wenn die S. nicht mehr rückgängig zu
machen sei: habe er freilich zur S. des fremden Stoffes eigenen Stoff mitauf-
gewendet, d. h. durch confusio, commixtio, adjunctio mitverbunden, dann komme es
auch auf diese Distinktion nicht an (§ 25 I. 2, 1).
In dieser letzteren Gestalt ist denn die Lehre vom Eigenthumserwerb
durch S. in das Gemeine Recht übergegangen und hier ist es, wo die S. ihre Haupt-
rolle spielt. Aber Mangels einer einheitlichen Gestaltung der Lehre in der Kompilation
Justinian's ist denn auch fast alles Uebrige streitig geblieben oder geworden. Vor
Allem: ob nur der gutgläubige Spezifikant Eigenthum erwerbe (Windscheid,
§ 187, 3, wozu unter den Gegnern noch Bekker, Das Recht des Besitzes bei den
Römern, 28, 1); die Quellen sagen nämlich nur, daß die Furtivität des Stoffes
auch dem Fabrikat anklebe und daß, wer wissentlich fremde Sachen verarbeite,
actione ad exhibendum hafte, woraus sich eben noch nicht ergiebt, daß der bös-
gläubige Spezifikant nicht Eigenthümer werde. Ebenso läßt sich fragen, ob auch
gegen den gutgläubigen Spezifikanten der frühere Eigenthümer einen Ersatzanspruch
wegen der erlangten Bereicherung habe (Brinz, § 149, 44 ff.), welchen er natür-
lich gegen den bösgläubigen mit verschiedenen Rechtsmitteln geltend machen kann
(Windscheid, § 187, 6), wie andererseits der gutgläubige Spezifikant, falls dieser
das Eigenthum nicht erwirbt, seine Ersatzansprüche wegen Verwendungen stellen kann.
Endlich kann es nach den Römischen Ouellen selbst noch als höchst zweifelhaft be-
trachtet werden, was S. sei, da die Quellen in dieser Beziehung nur eine keines-
wegs reiche Kafuistik aufstellen und im Einzelnen selbst differiren (z. B. hinsichtlich
des Ausdreschens von Getreide § 25 I. 2, 1; fr. 7 § 7 D. 41, 1, hinsichtlich des
Verbrauchs von Material zum Schiffbau fr. 26 pr. D. 41, 1; fr. 61 D. 6, 1;
fr. 18 § 3 D 13, 7); eine prinzipielle Feststellung ist freilich hier kaum möglich,
insbesondere kann die Grenze zwischen S. und bloßer „Verbindung“, bei welch letz-