728 Spittler — Spruchliste.
amtlichen Berufs und mit verheimlichter Absicht im Interesse einer anderen Macht
vorgenommen wird. Man unterscheidet militärische und politische S.
Als Militärspion wird betrachtet, wer in Bezug auf einen vorhandenen Kriegs-
zustand heimlich und außerhalb einer militärischen Funktion (z. B. in Verkleidung)
Erkundigungen im Interesse einer Kriegspartei auf dem Operationsgebiete der anderen
einzieht. Nicht unter den Begriff der S. fallen demnach Rekognoszirungen; des-
gleichen nicht die bloße Mittheilung offenkundiger Thatsachen, die dem Kriegsfeinde
von Nutzen sein können, obwol eine solche kriegsrechtlich geahndet werden kann;
ebensowenig die Sammlung von Nachrichten zu Privatzwecken. Die Kriegsspionage
kann den Thatbestand eines bürgerlichen Verbrechens enthalten, wenn sie gegen den
eigenen Staat ausgeübt wird, oder, obwol von Ausländern übernommen, gegen
ein Strafgesetz desselben. verstößt. Im Uebrigen wird sie als Hostilität behandelt.
Gegen den Kundschafter, der auf der S. betroffen wird, wird nach Kriegsrecht ver-
fahren; er ist dem Tode verfallen, gleichviel ob er auf Be fehl und im Auftrage ge-
handelt hat oder nicht; ob sein Thun Erfolg hatte oder nicht; ob es durch Gewinn-
sucht oder durch Patriotismus diktirt war. Da er für ein feindliches Unternehmen
nicht den Weg offenen Kampfes, sondern Betrug und Täuschung gewählt hat, so
schließt ihn ein noch gegenwärtig anerkannter Kriegsgebrauch von dem Soldatentode
aus. Sein Loos ist der Strang. Für Deutschland fällt die S. als Kriegs-
verrath unter die Militärgerichtsbarkeit.
Politische (insbesondere diplomatische) Kundschaften dienen dazu, um über den
innern Zustand eines fremden Staates, wie über die Richtung seiner Politik Nach-
richten einzuziehen. Besondere Mittel hiergegen zu reagiren, gewährt das Völkerrecht
nicht; es sei denn, daß derlei S. mit einem bürgerlichen Verbrechen (Bestechung,
Landesverrath) konkurrire.
Quellen: Deutsches StrafsB. 58P 91—93. — Militär StrafGB. 5§ 57—59; EG. 8 3. —
Code pén. art. 78, 83. Instructions for the government of armies of the U. St. von
1863, art. 88 — , „Modernes Völkerrecht im Anhange). — Vgl. Actes de la con-
ference de Bruxelles, 1874. — Projet d'une déclaration internationale, art. 18—22. —
Séances du 1. et du 26. Aott.
Lit.: v. Kamptz, Beiträge zum Staats= u. Völkerrecht, I. 63 (1815). — v. Martens,
Erzählungen, I. Nr. 13 (1800). — Bluntschli, Modernes Kriegsrecht 60, Martit.
v arti
Spittler, Ludw. Tim. Freih. von, S 10. XI. 1752 zu Stuttgart,
wurde 1779 Professor der Philosophie in Göttingen, 1806 Oberstudiendirektor,
+14. III. 1810.
Schriften: Krit. Untersuch, der 60 laodicäischen Kanons, Bremen 1777. — Geschichte
des Kanon. Rechts bis Isidor, Halle 1778 (in den Werken Bd. 1.). — Grundriß d. Geschichte
der christlichen Kirche, Gött. 1782, 5. Aufl. von Planck, 1813. — Von der ehemaligen
Zinsbarkeit der nordischen Kirche an den Römischen Stuhl, Hann. 1797. — Vorles. über
Geschichte des Papstthums, von Gurlitt, 1824—1828. — Vorles. über Politik, herausgeg.
von v. Wächter, Stuttg. 1828.— Sämmtl. Werke, herausg. von v. Wächter, 1827—1837.
Lit.: Planck, Ueber S. als Historiker, Gött. 1811. — Schulte, Geschichte, III. b. 167
(über Heinrich Anton Spittler, S. 169). Teichmann.
Spruchliste (Dienstliste, Liste de session) ist das Verzeichniß derjenigen zum
Geschworenenamt Berufenen, aus denen während einer ganzen Schwurgerichtsperiode
auf dem Wege der Ausloosfung und Ablehnung für jede einzelne Sache die zwölf Ge-
schworenen ausgewählt werden, welche darüber zu entscheiden haben. Der Vorgang
bei Anlegung der S. ist folgender: Spätestens vierzehn Tage vor Beginn der
Schwurgerichtsperiode findet in öffentlicher Sitzung des Landgerichtes (in Oesterreich
des Gerichtshofes erster Instanz) die Ausloofung der Geschworenen aus der Jahres-
liste (s. diesen Art. und d. Art. Geschworene) in Gegenwart des Präsidenten und
zweier Mitglieder des Gerichtes und des Staatsanwaltes statt. (In Oesterreich
wird auch die Advokatenkammer eingeladen, zu diesem Akte ein Mitglied zu ent-