752 Staatskassenverwaltung.
finanzrechtlichen Verhältnisse des einzelnen Staates zusammen, daß die Darstellung
desselben sich, abgesehen von gewissen allgemeinen Regeln und Formen, an die Ein-
richtungen eines bestimmten Staates zu knüpfen hat. Es kann hierfür darauf hin-
gewiesen werden, daß nach den neuesten Umwälzungen in Frankreich, welches auf
diesem Gebiete das ausgebildetste System besitzt, man alsbald eine Kommission er-
nannt hat behufs einer durchgreifenden Revision der bestehenden Bestimmungen,
welche zuletzt in dem reglement général sur la comptabilité publique vom 31. Mai
1862 kodifizirt worden sind. Wir beschäftigen uns hier vorzugsweise mit der S.
des Deutschen Reiches und Preußens, welches letztere schon seit Anfang des vorigen
Jahrhunderts mustergültige, in praktischer Hinsicht den Französischen vielfach über-
legene Einrichtungen aufweist. Besonders beachtenswerth würden außerdem die Ein-
richtungen des Rechnungswesens — außer Frankreich — in Belgien, Oester-
reich, Baden und Bayern sein.
Die Grundlage des Kassenwesens, wie des Rechnungswesens überhaupt, würden
gesetzliche Vorschriften über die Einnahmen und Ausgaben (Komptabilitäts-Etats-
Gesetz) zu bilden haben, bestimmt zur näheren Ausführung der das Staatsbudget
und dessen Ausführung betreffenden allgemeinen Verfassungsbestimmungen. An solchen
Gesetzen fehlt es bisher im Deutschen Reiche.
Durch das Bundesgesetz vom 4. Juli 1868 wurde die Kontrole des Bundes-
haushaltes zunächst für die Jahre 1867 bis 1869 der Preußischen Oberrechnungs-
kammer übertragen und diese Delegation später jährlich durch Reichsgesetz (zuletzt
Gesetz vom 1. Juni 1881) erneuert. Als „Rechnungshof des Deutschen Reiches“
übt die Oberrechnungskammer die ihr als Preußischer Revisionsbehörde zustehenden
Befugnisse aus. Ueber die von dem Bundesrath dem Reichstage (seit 1872, zuletzt
1877) wiederholt vorgelegten Entwürfe von Gesetzen über die Einrichtung eines
Rechnungshofes des Deutschen Reiches und über die Einnahmen und Ausgaben des
Deutschen Reiches (Komptabilitätsgesetz) hat bisher eine Einigung nicht erzielt werden
können. Die administrative Leitung der Reichskasse (im weiteren Sinne) fällt dem
durch Kaiserlichen Erlaß vom 14. Juli 1879 errichteten Reichsschatzamt anheim.
Die Wahrnehmung der Central-Kassengeschäfte des Norddeutschen Bundes (später des
Reiches) wurde zuerst durch Erlaß vom 21. Januar 1868 der Preußischen General-
staatskasse als „Generalkasse des Norddeutschen Bundes“ übertragen. Durch den
§ 22 des Bankgesetzes vom 14. März 1875 und den § 11 des Reichsbankstatuts
vom 21. Mai 1875 (R. G. Bl. S. 203 ff.) wurde der Reichsbank die Verpflichtung
auferlegt für Rechnung des Reiches Zahlungen anzunehmen und zu leisten. Auf
Grund dieser Bestimmungen wurde durch den Reichskanzler eine besondere Geschäfts-
abtheilung bei der Reichsbank-Hauptkasse als Centralkassenstelle des Reiches unter
der Bezeichnung „Reichshauptkasse“ eingerichtet (Bekanntmachung des Reichs-
kanzlers vom 29. Dezember 1875; R.Centr. Bl. S. 821) und derselben unterm
30. Dezember 1875 eine Geschäftsanweisung ertheilt. Nach derselben liegt der
Reichshauptkasse nur die Buchführung und Rechnungslegung ob, die Zahlgeschäfte
(Verkehr mit dem Publikum) vermittelt die Reichsbank-Hauptkasse. Im Uebrigen
kommen als selbständige Kassen des Reiches hauptsächlich nur die Kassen der Mili-
tär-, Marine-, Post= und Telegraphenverwaltung in Betracht. Der Geldverkehr des
Reiches mit den Bundesstaaten vermittelt sich durch die Landeskassen. Insbesondere
finden nach Maßgabe besonders erlassener Bestimmungen zwischen der Reichshaupt-
kasse und den Landeskassen monatliche Abrechnungen statt einerseits über die von den
Bundesstaaten für Rechnung des Reiches zu erhebenden Abgaben, der Aversen für
die Zölle und Verbrauchssteuern, der Matrikularbeiträge und sonstigen dem Reiche
zuständigen Einnahmen, andererseits über die Ausgaben der Bundesregierungen für
Rechnung des Reiches.
Auch in Preußen fehlt es an gesetzlichen Spezialbestimmungen für das Etats-
und Rechnungswesen mit Ausnahme des die Einrichtung und die Befugnisse der