Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Staatsschulden. 763 
3) Man unterscheidet die Staatsschuldscheine, je nachdem sie einer im Voraus 
bestimmten regelmäßigen Tilgung unterliegen, oder diese abhängig ist von der Lage 
des Staatshaushalts. Jenes war das ältere Preuß. System; insbesondere hatte 
der § 5 der Verordnung wegen der künftigen Behandlung des gesammten Staats- 
schuldenwesens vom 17. Januar 1820 verordnet, daß zur allmählichen Abtragung 
aller verzinslichen Schulden ein Prozent jährlich von der damaligen Höhe des 
Schuldkapitals zu einem allgemeinen Tilgungsfonds für immer bewilligt werden sollte, 
dem auch die aus der allmählichen Abtragung der Schuld entstehenden Zinsersparnisse 
hinzutreten; diese Grundsätze waren aber auch in Betreff der späteren Anleihen 
durch die über deren Aufnahme erlassenen besonderen Gesetze speziell angeordnet, so 
z. B. in dem Gesetze vom 17. Febr. 1868, betr. die Aufnahme einer Anleihe von 
40 Millionen; die Einzelheiten regelten sich nach dem Gesetze vom 23. März 1852, 
betr. die Ueberweisung der in Gemäßheit des Gesetzes vom 7. Dezember 1849 auf- 
zunehmenden Staatsanleihe an die Hauptverwaltung der S., sowie die Tilgung 
dieser Anleihe. Hier war insbesondere vorgeschrieben, daß zur Tilgung jährlich ein 
Prozent des Schuldkapitals zu überweisen und daß die durch allmähliche Abtragung 
des Schuldkapitals ersparten Zinsen dem Tilgungsfonds in ununterbrochener Zeit- 
folge zuwachsen. Darüber, ob die Tilgung vermittelst Ankaufs der betr. Staats- 
papiere zum Tageskurse oder durch Ausloosung stattfinden soll, haben die Gesetze 
geschwankt; indessen hat sowol die Verordnung vom 17. Januar 1820 als auch das 
Gesetz vom 23. März 1852 festgesetzt, daß der Tilgungsfonds zunächst zum Ankauf 
eines entsprechenden Betrags von Schulddokumenten zu verwenden sei, daß jedoch, 
insoweit der Ankauf nicht unter dem Nennwerthe bewirkt werden kann, öffentliche 
Ausloosungen stattzufinden haben. Ein ganz neues System der Schuldentilgung 
ist nun aber durch das Gesetz vom 19. Dezember 1869, betr. die Konsolidation 
Preußischer Staatsanleihen, ins Leben geführt, insofern die Tilgung dieser konsolidirten 
Anleihe nur sobald und soweit erfolgt, als etatsmäßige Ueberschüsse der Staats- 
einnahmen über die Staatsausgaben sich ergeben, und soweit über dieselben im 
Staatshaushaltsetat nicht anderweitig verfügt wird. Die eventuelle Tilgung ge- 
schieht in der Art, daß die dazu bestimmten Mittel zum Ankauf eines entsprechenden 
Betrags von Schulddokumenten verwendet werden. Dem Staate bleibt jedoch das 
Recht vorbehalten, vom 1. Januar 1885 ab die im Umlauf befindlichen Schuld- 
verschreibungen zur Einlösung gegen Baarzahlung des Kapitalbetrags zu kündigen. 
Diese Grundsätze haben aber auch auf die später aufgenommenen Anleihen Anwendung 
gefunden, indem z. B. das Gesetz vom 11. Juni 1873, betr. die Aufnahme einer 
Anleihe in Höhe von 120 Millionen, hinsichtlich der Tilgung derselben auf die Vor- 
schriften des Gesetzes vom 19. Dezember 1869 einfach verweist. Die günstigen 
Finanzverhältnisse in den ersten Jahren nach der Emanation des Konsolidations- 
gesetzes haben allerdings die Folge gehabt, daß, wie sich aus einer Vergleichung der 
verschiedenen Staatshaushaltsetats ergiebt, die Tilgungssummen von 1868 bis 1872, 
und zwar von 7966 766 Thaler auf 9 497799 Thaler stetig gestiegen sind, und 
daß außerdem theils im Extraordinarium des Staatshaushaltsetats (z. B. pro 
1873), theils durch besondere Gesetze mehrfache außerordentliche Schuldentilgungen 
stattgesunden haben, wie bei der Auflösung des Staatsschatzes durch das Gesetz vom 
18. Dezbr. 1871, so auch durch das Gesetz vom 13. März 1873, vom 5. Juni 
desselben Jahres (betr. die aus der Kriegsentschädigung an Preußen gelangenden 
Geldmittel) und vom 26. Mai 1874. — Eine besondere Abart der Staatsschuld- 
scheine sind noch diejenigen, in welchen allen Gläubigern oder einem Theile derselben 
außer der Zahlung der verschiedenen Geldsummen eine Prämie dergestalt zugesichert 
wird, daß durch Ausloosung oder durch eine andere auf den Zufall gestellte Art der 
Ermittelung die zu prämiirenden Schuldverschreibungen und die Höhe der ihnen zu- 
fallenden Prämie bestimmt werden sollen. Diese, die sog. Lotterie-Anleihen, dürfen, 
wie Inhaberpapiere mit Prämien überhaupt, nach dem Reichsgesetze vom 8. Juni
	        
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