764 Staatsschulden.
1871 innerhalb des Reichs nur auf Grund eines Reichsgesetzes und nur zum Zwecke
der Anleihe eines Bundesstaates oder des Reichs ausgegeben werden, während die
ausländischen Inhaberpapiere mit Prämien, deren Ausgabe vor dem- 1. Mai 1871
erfolgt ist und die demgemäß überhaupt im Verkehr zuläsfsig sind, einer besonderen
Abstempelung zu unterwerfen sind.
III. Die Kontrahirung der Staatsschulden. In Preußen konnte
die Aufnahme neuer Darlehen schon nach der Verordnung vom 17. Januar 1820
nur mit Zuziehung und unter Mitgarantie der künftigen reichsständischen Versamm-
lung geschehen. Das Patent vom 3. Februar 1847 überwies diese Mitwirkung
dem Vereinigten Landtage mit der Einschränkung, daß, wenn im Falle eines zu
erwartenden, oder ausgebrochenen Kriegs die Einberufung des Vereinigten Landtags
nicht zulässig befunden werden sollte, an Stelle derselben die Deputation für das
Staatsschuldenwesen, welche im Allgemeinen die ständische Mitwirkung bei Ver-
zinsung und Tilgung der Staatsschuld auszuüben hatte, treten sollte. Der Art.
103 der Verfassungsurkunde hat dann aber ganz allgemein und ohne jede Ein-
schränkung bestimmt, daß die Aufnahme von Anleihen nur auf Grund eines Gesetzes
(unter Zustimmung aller drei Faktoren) erfolgen könne, und daß dasselbe bei der
Uebernahme von Garantien zu Lasten des Staates gelte. In Gemäßheit des Art.
62 al. 3 muß ein derartiger Gesetzentwurf zuerst dem Haufe der Abgeordneten vor-
gelegt werden, da es sich um einen Finanzgesetzentwurf handelt.
Ganz analog ist in Art. 73 der Verfassung des Norddeutschen Bundes und
des Deutschen Reichs die Aufnahme einer Anleihe auf den Weg der Bundes= resp.
Reichsgesetzgebung verwiesen worden.
Das Alles bezieht sich endlich nicht blos auf die verzinslichen, sondern auch
auf die unverzinslichen S.
IV. Die Verwaltung und Kontrole des Staatsschuldenwesens.
1) In Preußen. Auch in dieser Beziehung hatte sich die Krone bereits zur Zeit
der absoluten Monarchie eine freiwillige Beschränkung auferlegt; die Garantie ruhte
jedoch wesentlich in der Hand des Beamtenthums, indem die im Jahre 1820
errichtete Hauptverwaltung der S. für die Erfüllung der damals gegebenen Vor-
schriften im ganzen Umfange verantwortlich gemacht wurde. Seit der Emanation
der Verfassungsurkunde, insbesondere seit dem Gesetze, betr. die Verwaltung des
Staatsschuldenwesens und Bildung einer Staatsschuldenkommission, vom 24. Febr.
1850 ist die königliche Gewalt weiter eingeschränkt worden. Die Hauptverwaltung
der S. ist eine von der allgemeinen Finanzverwaltung abgesonderte selbständige
Behörde, bestehend aus einem Direktor und drei Mitgliedern, welche gleiche Befug-
nisse und gleiche Verantwortlichkeit haben. Der Direktor und die Mitglieder leisten
vor Antritt ihres Amts in öffentlicher Sitzung des Oberverwaltungsgerichts (Ges.
vom 29. Jan. 1879) (früher des Obertribunals) einen Eid, daß sie weder einen Staats-
schuldschein noch irgend ein anderes Staatsschuldendokument über den in den
bestehenden oder in Zukunft zu erlassenden Gesetzen bestimmten Betrag hinaus aus-
stellen, oder durch Andere ausstellen lassen, auch mit allem Nachdruck darauf halten
und dafür sorgen wollen, daß die ihrer Verwaltung anvertraute Staatsschuld prompt
und regelmäßig verzinst, das Kapital aber in der durch die Gesetze vorgeschriebenen
Art getilgt werde, und daß sie sich von der Erfüllung dieser Pflichten und der
übrigen ihnen mit eigener Verantwortlichkeit übertragenen Obliegenheiten durch keine
Anweisungen und Verordnungen irgend einer Art abhalten lassen wollen. Die
Hauptverwaltung der S. ist wieder unter die fortlaufende Aufsicht einer besonderen
Staatsschuldenkommission gestellt; dieselbe besteht aus je drei Mitgliedern beider
Häuser des Landtags, welche mit absoluter Stimmenmehrheit auf drei Jahre gewählt
werden, und aus dem Präsidenten der Oberrechnungskammer; die vom Landtage ge-
wählten Mitglieder werden vom Präsidenten in öffentlicher Sitzung unter Hinweisung
auf ihren als Abgeordnete geleisteten Eid (Verfassungsurkunde Art. 108), der Präsident