Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Staatsservituten. 767 
tuten im Gegensatz zu völkerrechtlichen genannt hat. Der Centralgewalt gegenüber 
können gleichfalls einzelnen Bundesgliedern S. auferlegt sein. Als solche dürfen 
aber niemals diejenigen Beschränkungen aufgefaßt werden, denen in Folge der 
Bundesverfassung sämmtliche Bundesglieder unterworfen sind, sondern nur die be— 
sonderen Beschränkungen einzelner Staaten (Beispiel: die Bundesfestungen im ehe— 
maligen Deutschen Bunde). Wie der Inhalt der Servituten überhaupt entweder 
in patiendo oder non faciendo besteht, so auch der der S. Entweder kann der 
berechtigte Staat bestimmte Handlungen, welche Ausfluß der Staatshoheit sind, auf 
dem Gebiete des verpflichteten Staates vornehmen, oder der verpflichtete muß gewisse 
Akte, die er an sich auf Grund der Staatshoheit vornehmen dürfte, unterlassen. 
So unterscheidet man affirmative und negative S. Mit Rücksicht auf die beiden 
Subjekte der Servituten unterscheidet man aktive und passive S. Aktiv ist die 
Servitut mit Rücksicht auf den Staat, der sie auf dem Gebiet des anderen aus- 
üben darf; passiv mit Rücksicht auf den, der sich diese Ausübung gefallen lassen muß. 
Es kann auch zwei Staaten gegenseitig eine Servitut derselben Art zustehen. Gegen- 
stand der S. sind Hoheitsrechte und Regalien; auch Privatrechte können es sein, 
jedoch immer nur in Verbindung mit Staatshoheitsrechten, niemals für sich allein. 
Beispiele für die S. bieten dar das Etappenrecht (und umgekehrt als passive Ser- 
vitut die Etappenlast), das Recht, auf dem Gebiete eines fremden Staates Eisen- 
bahnen zu bauen, Postanstalten, Telegraphenlinien und -Stationen zu unterhalten, 
das Recht, in einem anderen Territorium eine Festung zu haben, und das Be- 
satzungsrecht in einzelnen Plätzen desselben, das Bergregal in einem Berddistrikt des 
anderen Staates; sodann (als servitutes in non faciendo) das Recht, die Anlage 
von Festungen oder die Aufstellung größerer Heeresmassen in gewissen Theilen des 
verpflichteten Staates zu untersagen. Das Recht, welches den Gegenstand der Ser- 
vitut bildet, muß dem berechtigten Staat unabhängig von der Staatshoheit 
des verpflichteten Staates zustehen. Auf der anderen Seite darf das dem berech- 
tigten Staate eingeräumte Recht nicht ein derartiges sein, daß dadurch die Selbst- 
ständigkeit des verpflichteten völlig ausgehoben würde. Ueber die Grenzen sind die 
Schriftsteller nicht einig. Während Heffter es für ausreichend erklärt, wenn der 
verpflichtete Staat als halbsouveräner bestehen kann, ist Klüber der Ansicht, daß 
hierdurch bereits der Begriff der Staatsservitut überschritten sei. Letzterem wird man 
sich anschließen müssen. Die S. entstehen durch völkerrechtlichen Vertrag; doch steht 
diesem die unvordenkliche Zeit gleich. Nach dem Inhalt des Vertrages richtet sich 
auch der Umfang der Servitut. Die Ausübung muß hier, wie bei den Servituten 
überhaupt, civiliter geschehen; auch darf dadurch die Verfassung des verpflichteten 
Staates niemals verletzt werden. Die Vornahme derselben Handlungen, welche den 
Inhalt der Servitut bilden, ist dem verpflichteten Staate nicht verwehrt, es müßte 
denn dies mit dem Wesen der Servitut unvereinbar, oder das Gegentheil ausdrücklich 
vertragsmäßig festgesetzt sein. Die S. gehen unter durch Verzicht des Berechtigten, 
durch den Untergang der Sachen, an denen die Ausübung stattfand, Eintritt der 
etwaigen Resolutivbedingung oder des Endtermins, durch Konsolidation, endlich da- 
durch, daß der Herrscher des berechtigten oder verpflichteten Territoriums Unterthan 
des Herrschers des anderen wird. 
Außer diesen eigentlichen (vertragsmäßigen) S. werden noch erwähnt natür- 
liche S. Man versteht darunter Beschränkungen der Staaten in der Herrschaft 
über das Gebiet, welche aus der natürlichen Lage der Nachbarstaaten hervorgehen, 
als die Nothwendigkeit, das fließende Wasser des Nachbarstaates aufzunehmen, und 
umgekehrt das das eigene Gebiet durchströmende Wasser wieder in den Nachbarstaat 
hinauszulassen. Allein in Wahrheit sind dies (wie auch einige Schriftsteller an- 
erkennen) ebensowenig Servituten, als die Nachbarrechte im Civilrecht. 
Die Lehre von den S. gehört in das Völkerrecht, nicht in das Staaterecht.
	        
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