770 Städtereinigung.
den vergleichsweise hohen Kosten des Abfuhrbetriebes, welche durch die bis jetzt von
den Landwirthen für die Düngstoffe gezahlten Preise keineswegs gedeckt werden.
4) Ansammlung mit Desinfektion in Gruben oder beweglichen Be-
hältern, mit dem Zwecke, die kostspielige tägliche oder doch sehr häufige Wieder-
holung des Transports zu ersparen. Unter den vielen dazu vorgeschlagenen und
ausgeführten chemischen Verfahren hat keines sich derart bewährt, daß es die
längere Ansammlung besonders fäkaler Massen inmitten städtischer Wohnplätze mit
Sicherheit unschädlich erscheinen ließe. Am meisten verdienten Beifall hat namentlich
in England das sog. Erdklosetsystem gefunden, welches durch unmittelbare
Vermischung der frischen Fäkalien mit gesiebter trockener Erde eine mit völliger
Geruchlosigkeit verbundene Desinfektion erzielt und zugleich den Vortheil bietet, eine
vortreffliche, unmittelbar zu Kulturzwecken verwerthbare Dungerde zu erzeugen.
Für kleinere Orte ist dies System um so brauchbarer, je höher die Nachfrage nach
Dungstoffen in der nächsten Umgebung sich stellt; in größeren Städten ist das Ver-
fahren schon deshalb keiner allgemeinen Anwendung fähig, weil außer den höheren
Abfuhrkosten schon die massenhafte Einfuhr der erforderlichen trockenen Erde zu
kostspielig würde. Das Englische Gesundheitsamt räth daher zur Anwendung von
Erdklosets nur in Städten bis zu einer Bevölkerung von 10 000 Einwohnern.
5) Die Wegleitung der Auswurfstoffe durch Wasser. Neben dem
porösen Boden ist das fließende Wasser ein von der Natur selbst angewiesenes
Reinigungsmittel für bewohnte Erdflächen und als solches seit den ältesten Zeiten.
auch unter Zuhülfenahme methodischer Einrichtungen benutzt worden. Eine Reini-
gung findet dabei nicht blos im mechanischen Sinne vermöge der Wegführung und
Verdünnung der Schmutzstoffe statt, sondern auch in chemischem Sinne vermöge der
in jedem fließenden Wasser sehr lebhaften Oxydation aller organischer Stoffe, wo-
durch eine Ueberführung derselben in ganz unschädliche Zersetzungsprodukte ohne
eigentliche Fäulnißvorgänge vermittelt wird. Mit welcher Intensität dieser Selbst-
reinigungsprozeß im Flußwasser vor sich geht und wie auch die stärkste Verun-
reinigung aus demselben nach längerem Laufe völlig verschwindet, beweisen die amt-
lichen Untersuchungen des Seinewassers von Paris bis Meulon (60 km), die Be-
richte über ähnliche Untersuchungen von Flüssen in Deutschland (Isar, Main),
Nordamerika (Blackstone, Merrimac) und England (Trent).
Das Abschwemmen der Schmutzstoffe in öffentliche Wasser-
läufe widerspricht daher weder den natürlichen Gesetzen, welche die Verhältnisse
der Erdoberfläche reguliren, noch auch dem öffentlichen Gesundheitsinteresse, so lange
die Umstände dasselbe gestatten — d. h. so lange die Menge der Schmutz-
stoffe nicht in so starkem Mißverhältnisse steht zur Menge und zur Stromgeschwindig-
keit des Wassers, daß die zunächst stromabwärts gelegenen Orte, an denen das Wasser
in noch stark verunreinigtem Zustande vorbeifließt, dadurch belästigt werden. Ein
solches Mißverhältniß stellt sich bei dem raschen Anwachsen der Städte und bei der
Zunahme der mit vielen Abfälleprodukten verbundenen Industrien an sehr vielen
Orten heraus, welche ehedem im Stande waren, sich ihrer Auswursfstoffe vermittelst
der Flüsse ohne allen Nachtheil für die Uferbewohner zu entledigen. In einigen
solchen Fällen hat sich das Auskunftsmittel als genügend ergeben, den flüssigen In-
halt der städtischen Kanäle als isolirten Strom bis zu einer unbewohnten Uferstrecke
des Flusses oder des Meeres fortzuleiten und dort einmünden zu lassen. Für viele
Städte aber ist auch dieser Ausweg verschlossen, und da überdies bei der Ab-
schwemmung in Fluß oder Meer der gesammte Dungwerth für die Bodenkultur
verloren geht, so versuchte man zunächst das Kanalwasser von seinem Gehalte an
festen Stoffen vor seinem Einlasse in öffentliche Wasserläufe zu befreien. Man be-
diente und bedient sich noch heute dazu in mehreren Englischen Städten theils der spon-
tanen Sedimentirung in großen Behältern, theils der Ausscheidung durch
chemische Zusätze, unter denen besonders Mischungen von Alaun, Thon, Kalk,