Stempelsteuer. 785
Großherzoglich und Landgräflich Hessischen Gebietstheile durch den Erlaß vom 14.
August 1867, für Frankfurt a. M. durch die Verordnung vom 15. August 1867.
Die Gründung des Norddeutschen Bundes resp. des Deutschen Reichs hat dann
zur Folge gehabt, daß durch das Norddeutsche Bundesgesetz vom 10. Juni 1869
resp. durch die Versailler Verträge (für Württemberg und Baden), das Gesetz vom
22. April 1871 (für Bayern) und das Gesetz vom 14. Juli 1871 (für Elsaß-
Lothringen) die Wechsel-S., unter mehrfacher Aenderung der bisherigen Preußischen
Bestimmungen, zu einer Bundes= resp. Reichssteuer erhoben worden ist.
Im weiteren Verlaufe der Preußischen Entwickelung ist dann zunächst die Erb-
schaftsabgabe für den ganzen Umfang des Staates durch das Gesetz vom 30. Mai
1873 (gültig seit 1. Januar 1874) neu regulirt worden, indem unter gänzlicher
Aufhebung der bisherigen Verbindung zwischen Erbschaftsabgabe und S., so daß
auch der Gebrauch von Stempelmaterialien bei Entrichtung der Erbschaftsabgabe in
Wegfall gekommen ist, einerseits eine Uebertragung der Bearbeitung der Erbschafts-
steuersachen von den Gerichten auf die Behörden der Steuerverwaltung (wie bisher
schon in der Rheinprovinz und in der Stadt Berlin) stattgefunden hat und anderer-
seits eine Beseitigung der Steuer seitens des überlebenden Ehegatten eingetreten
ist, während die als Aequivalent vorgeschlagene Erhöhung der Steuer für die De-
scendenten von Geschwistern die Zustimmung des Landtags nicht gefunden hat. Für
das Einzelne ist auf das Gesetz selbst und auf den diesem Gesetze angehängten
Tarif zu verweisen.
Die Aufhebung- des Zeitungs= und Kalenderstempels ist, nachdem zahlreiche
Anträge, Resolutionen und aus der Initiative des Abgeordnetenhaufses hervor-
gegangene Gesetzentwürfe, namentlich in den Jahren 1872, 1873 und 1874, ohne
Erfolg geblieben waren, durch das Deutsche Reichsgesetz über die Presse vom 7. Mai
1874 erfolgt, welches für den ganzen Umfang des Reichs, mit Ausnahme von
Elsaß-Lothringen, wo die Einführung einem besonderen Gesetze vorbehalten wurde,
mit dem 1. Juli 1874 in Kraft getreten ist, indem der § 30 al. 2 dahin lautet:
„Vorbehaltlich der auf den Landesgesetzen beruhenden allgemeinen Gewerbesteuer
findet eine besondere Besteuerung der Presse und der einzelnen Preßerzeugnisse
(Zeitungs= und Kalenderstempel, Abgabe von Inseraten) nicht statt.“
Endlich ist dann in dem Gesetze vom 26. März 1873 eine Ermäßigung und
Aufhebung gewisser Stempelabgaben, namentlich solcher, die zwar besonders drückend,
aber doch für die Gestaltung des Budgets ohne wesentlichen Einfluß waren, deren
Wegfall auch einer künftigen prinzipiellen Neugestaltung des Stempelwesens nicht
präjudizirte, herbeigeführt worden; insbesondere ist gänzlich aufgehoben die Be-
steuerung von Gesuchen, Bescheiden und Protokollen in Privatangelegenheiten,
während die Steuer von Geburts-, Trau= und Todtenscheinen bedeutend ermäßigt ist.
Es ist jedoch allseitig anerkannt, daß es einer viel umfassenderen Reform,
namentlich auch in der Richtung auf Herabsetzung der Beträge für den Rechtsver-
kehr mit Immobilien, bedarf, und es ist eine solche generelle Revision auch seitens
der Regierung ausdrücklich zugesagt.
Was die finanzielle Seite der S. betrifft, so war sie im Staatshaushaltsetat
pro 1874 mit 8600 000 Thaler in Anschlag gebracht. In dieser Summe war ins-
besondere auch die Zeitungssteuer mit etwa 900 000 Thaler enthalten. Dagegen
bildete die Erbschaftssteuer einen besonderen Posten mit 1 400 000 Thaler, diese Ein-
nahme ist im Vergleich mit anderen Ländern eine sehr geringe; insofern die Erb-
schaftssteuer in Preußen noch nicht 2 Sgr. auf den Kopf beträgt, während sie sich
in Frankreich und Belgien auf 2 Francs und in England auf 1½12 Sch. beläuft.
Lit.: J. G. Hoffmann, Die Lehre von den Steuern mit besonderer Rücksicht auf den
Preuß. Staat, Berl. 1849. — L. v. Stein, Lehrb. d. Finanzwissensch., 2. Aufl., Lpzg. 1871,
S. 215 ff., bes. S. 466 ff. — Rau-Wagner, Lehrb. der Finanzwissensch., 6. Aufl., Leipzig
v. Holtzendorff, Enc. II. Rechtslexikon III. 3. Aufl. 50