Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

788 Steuerpflicht. 
Glücklicher war inzwischen die Kirche in der Schöpfung eines Steuersystems 
gewesen. Der stärkste Beweis für die Macht der kirchlichen Staatsidee im Mittel- 
alter ist sicherlich die Durchsetzung ihres Anspruchs auf den Kirchenzehnten. Die 
Idee einer Unfreiheit heftete sich nicht mehr an Abgaben und Dienstleistungen, welche 
Gott, einem Heiligen oder seinem Stellvertreter auf Erden geleistet wurden. Es 
bereitete sich damit die spätere Idee vor, daß Abgaben und Steuern an die ideale 
Person des „Staates“ keine Beeinträchtigung der persönlichen Freiheit und Ehre 
enthalten. Eine erste gewissermaßen versuchsweise Ausführung fand diese Idee zur 
Zeit der Kreuzzüge, in Verlauf welcher auf Anmahnung der Kirche wiederholt steuer- 
artige Leistungen zur Ausrüstung der Kreuzfahrer aufgebracht worden sind, — An- 
läufe, die indessen mit den Kreuzzügen wieder verschwunden sind. 
Erst im 15. Jahrhundert beginnen die Anfänge der Deutschen Reichs- 
steuern mit den Hussitenkriegen. Es ist noch einmal die Noth der christ- 
lichen Kirche, welche die Reichsstände bewogen hat, den „gemeinen Pfennig“ zu 
bewilligen, als eine Vermögens-, Einkommen= und Kopfsteuer, welche um 1421 
zum ersten Mal aufgebracht wurde. Noch war die Idee des Kaiserthums soweit 
lebendig, daß dieser Nothforderung gegenüber regierende Stände und Unterthanen 
sich gleichmäßig zu steuerartigen Leistungen verpflichteten. Freilich trug die Art der 
Steuervertheilung das Gepräge rohester, primitiver Versuche. Der gemeine Pfennig 
wurde stets widerwillig geleistet, blieb weit hinter den Anschlägen zurück, und bei 
jeder Wiederholung schien dieser Widerwille zu wachsen. Die Klasse der mittel- 
alterlichen Herren war nun einmal durch Verdinglichung der Karolingischen Aemter 
zu erblichen „Oberkeiten“ geworden, die nicht mehr im Gericht neben den gemeinen 
Leuten zu Recht stehen, noch weniger aber Schulter an Schulter mit ihren Unter- 
thanen Abgaben an einen höheren Herrn zahlen wollten. Eben deshalb fehlte 
dem Kaiser auch jedes geeignete Organ zur Abschätzung und Eintreibung von Ein- 
kommensteuern in der Bevölkerung des Reichs. An dem Widerstand des Reichs- 
adels und der Reichsritterschaft scheitert nochmals auch dieser Anlauf zur Ein- 
führung einer allgemeinen persönlichen Steuerpflicht. Der gemeine Pfennig hört im 
16. Jahrhundert wiederum auf. 
An die Stelle tritt nunmehr die Steuererhebung nach Römer- 
monaten als eine der ständischen Ordnung entsprechende Steuervertheilung 
nach „Land und Leuten“. Nach derselben Analogie werden seit 1548 auch die 
ordentlichen Beiträge zur Erhaltung des Reichskammergerichts (die Kammerzieler) 
erhoben. Diese Steuererhebung richtet sich nicht unmittelbar an die Unterthanen, 
sondern an die ständischen Körper, deren Gesammtheit sich in Kaiser und Reich 
darstellt. Sie werden bewilligt von den regierenden „Ständen“ und von diesen 
aufgebracht „nach Herkommen“. Dies Herkommen verpflichtete freilich den Landes- 
herrn zur Bestreitung zunächst aus seinen Kammergütern, Regalien und Gefällen. 
Da diese aber in der Mehrzahl der Gebiete schon für die Landesausgaben nicht 
mehr ausreichten, die Leistung für das Reich aber doch beschafft werden mußte, so 
ergab sich daraus folgerichtig eine Heranziehung der Unterthanen so, „daß eine jede 
Obrigkeit alle ihre Unterthanen, die sie vermöge der Rechte und alten besitz- 
lichen Herkommens zu besteuern und zu belegen hat, durch eine Steuer oder Anlage 
einlegen und einziehen möchte.“ Das in dem R.A. von 1543 § 24 in dieser Weise 
formulirte „ius collectandi“ wurde fortan als ein in der Landeshoheit 
liegendes Recht zur Besteuerung der Unterthanen für alle von Reichs- 
wegen nothwendigen Ausgaben angesehen. Den Unterthanen wird dagegen nur in 
sehr allgemeinen Ausdrücken ein Recht der Beschwerde an Kaiser und Reich beigelegt 
wider ungebührliche oder unverhältnißmäßige Anforderungen, worüber dann das 
Reichskammergericht, bzw. die Reichsstände im Beschwerdewege zu entscheiden hatten. 
Die Idee der Unfreiheit verband sich aber allerdings nicht mehr mit Steuerforderungen, 
die unter Autorität des Reiches mit Zustimmung der Reichsstände beschlossen waren. 
 
	        
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