Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Stiftungen. 797 
zeit noch in Kraft sind, wurde nämlich nicht selten das Erforderniß einer ebenbürtigen 
Ehe durch die Zugehörigkeit zu einer stiftmäßigen Familie bestimmt und die 
Abstammung aus solcher Ehe zur Bedingung der Nachfolge in das Fideikommiß 
oder Stammgut gemacht. Beispiele bei v. Kamptz, Jahrbücher für Preuß. Gesetz- 
gebung XXXXVII. S. 221, 281, 237. Soweit die S.keit noch in Frage kommt, ist 
für dieselbe der Nachweis alten Adels (mindestens 4 Ahnen) oder die Abstammung aus 
einem stiftmäßigen städtischen Patriziergeschlecht erforderlich. Der Unterschied, von 
reichsfreiem und landsässigem Adel kommt bei der Ahnenprobe nicht in Betracht. 
Cramer, pag. 246 ss.: nec minor umquam fuit nobilium mediatorum qduam 
immediatorum existimatio in ludis equestribus, ordinibus militaribus et collegiis 
canonicorum catcedralibus, qguae aeque ac alii nobilitatis 
avitae honores landsassiis equitibus hodie etiam patent. Aller- 
dings suchten die Kapitel einzelner Stifter die Stiftsfähigkeit möglichst einzuschränken, 
indem sie reichsritterschaftlichen Adel oder gar die Zugehörigkeit zur Reichsritterschaft 
eines bestimmten Ritterkreises verlangten. Allein diese beabsichtigten Beschränkungen 
sind nicht Rechtens geworden. Nachdem schon Art. V, § 17 des Westfälischen 
Friedens bestimmt hatte, es solle dafür gesorgt werden, daß Adelige, Patrizier, 
Graduirte und andere taugliche Personen, ubi id fundationibus non adversatur, 
nicht ausgeschlossen werden, erging am 25. Juni 1737 eine Entscheidung des 
Reichshofrathes gegen das Kapitel des Erzstiftes Mainz, welches sich geweigert hatte 
mehrere Adelige auszunehmen, weil sie ihre Abstammung vom reichsunmittelbaren 
Adel in Schwaben, Franken und am Rhein nicht nachweisen konnten. Dieses Er- 
kenntniß spricht aus, daß das behauptete Herkommen unerweislich und jedenfalls 
ungegründet sei. „Seine Kaiserl. Majestät könne auch nicht zugeben, daß durch 
dergleichen vermeintliche Observantien oder Statuten der obschon mediate, doch uralte 
und rittermäßige Deutsche Adel wegen der etwa ermangelnden Reichsimmediatät von 
ein und anderen Erz= und Stiftern gänzlich ausgeschlossen und allerhand Verbitte- 
rungen im Röm. Teutschen Reiche angerichtet würden“ (Kerner, III. p. 196 ff.). 
Demgemäß kann der Nachweis reichsritterlicher Ahnen nicht als Voraussetzung stift- 
mäßiger Herkunft gelten, soweit dieser Begriff in Fragen des Ehe= und Erbrechts 
adeliger Familien heute noch praktische Bedeutung hat. Mit dem Erforderniß der 
stiftmäßigen Ehe ist übrigens das Erforderniß der blos standesmäßigen Ehe nicht 
zu verwechseln. 
Lit.: Cramer, De iuribus et praerogativis nobilitatis avitae, 1739. — J. G. Kerner, 
Staatsrecht der unmittelbaren freyen Reichsritterschaft in Schwaben, Franken und am Rhein, 
1789. — Pfeiffer, Versuch eines ausführlichen Privatrechts des teutschen Reichsadels, 
1787. — J. J. Moser, Teutsches Reichsstaatsrecht, XIX. § 131. — Telgmann, Von der 
Ahnenzahl. — Runde, Grundsätze des gem. Deutschen Privatrechts, § 402. — Eichhorn, 
Einleitung in das Deutsche Privatrecht, § 65. Heinrich Brunner. 
Stiftungen, milde (pia corpora, piae causae), d. h. Vermögensmassen, 
welche zu einem frommen oder wohlthätigen (ursprünglich mit den Aufgaben der 
Kirche im Zusammenhange stehenden) Zweck bestimmt sind. Sowol nach Nöm., 
wie nach Kan. Recht konnten dergleichen S. unabhängig von der Kirche nicht zu 
Stande kommen. Wurde das betreffende Vermögen nicht gerade einem bestimmten 
Gotteshause oder Kloster zu Eigenthum unter Auferlegung des betreffenden Modus 
überwiesen, sondern selbständig dem vorgeschriebenen Zweck unter Errichtung einer 
besonderen Anstalt, z. B. eines Kranken-, Armen= #. Hauses gewidmet, so hatte 
doch der Bischof entweder die Administration oder, wenn der Stifter andere Ver- 
walter ernannt hatte, unter allen Umständen die Aufsicht über die Geschäftsführung 
der letzteren. Wegen dieses Zusammenhanges mit der Kirche galten die den S. 
gehörigen einzelnen Vermögensstücke als Kirchengut und genossen auch die Privilegien 
des letzteren. Seit dem 16. Jahrh. und namentlich, seitdem der Staat die Erfüllung 
einer Reihe von Aufgaben auf sich genommen hat, welche früher allein von der
	        
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