Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

798 Stöckhardt. 
Kirche in das Auge gefaßt wurden, hat sich auch jener Zusammenhang der sog. 
frommen S. mit der Kirche gelöst, und seitdem hat der Rechtssatz Anerkennung 
gefunden, daß es Jedem freisteht, S. zu religiösen und Wohlthätigkeitszwecken zu 
errichten, auch ohne daß irgend welche Betheiligung der Kirche bei der Verwaltung 
oder sonst nöthig wäre. Die moderne Stiftung bedarf also keiner von der Kirche 
abgeleiteten Persönlichkeit mehr, um rechtlich zu existiren. Da aber ganz dasselbe 
für andere S., welche nicht zu den corpora pia im Römischen und Kanonischen 
Sinne gerechnet werden können, z. B. Kunstinstitute, nach modernem Recht gilt, 
so liegt heutzutage kein Bedürfniß vor, die sog. milden S. als eine eigene, besonderen 
rechtlichen Normen unterworfene Klasse zu behandeln. Die allgemeine Rechtstheorie 
der S. überhaupt ist ebenfalls auf sie anwendbar. Für sie besteht also auch die 
heute noch nicht zum Austrag gebrachte Streitfrage, ob die S., sofern nicht ihre 
Zwecke durch Eigenthumsübertragung mit einem Modus an andere Personen erfüllt 
werden sollen, als juristische Personen oder die für Stiftungszwecke ausgesetzten 
Vermögensmassen als sog. Zweckvermögen aufzufassen sind. Ueber die Entstehung 
der sog. milden S., die Verwaltung und den Untergang derselben müssen ebenfalls 
die allgemeinen Regeln zur Anwendung kommen. Dagegen kann der Grundsatz, 
daß ihr Vermögen die Privilegien des Kirchengutes genießt, nicht mehr als gemein- 
rechtlich geltend angesehen werden, weil die bezüglichen Vorschriften sich nicht auf 
die modernen, von der Kirche unabhängigen S. beziehen. Diesen Standpunkt nimmt 
in allen Beziehungen das Sächs. BGB. ein (s. §§ 52, 150 ff., 260 ff.), während 
das Preuß. Allg. LR., welches überhaupt die juristischen Personen nirgends im 
Zusammenhang behandelt, wenigstens den „vom Staate ausdrücklich oder still- 
schweigend genehmigten Armen= und Versorgungsanstalten“ hinsichtlich ihres Ver- 
mögens die Rechte der Kirchengüter beilegt (Th. II. Tit. 19 9§ 41, 43), und auch 
nach dem Oesterr. BGB., das die Regeln über die S. in „die politischen Ver- 
ordnungen“ verwiesen hat (§ 646), wohl dem Stiftungsvermögen die Privilegien der 
§§ 1472, 1485 (betreffend die Verjährung) beizulegen sind. 
Quellen: I.I. 35, 42, 46 C. de episc. et cleric. 1, 3; Nov. CXXXI. c. 10, 11; 
c. X. de relig. dom. III. 36; Clem. 2 h. t. III. 11; conc. Trid. Sess. XXII. c. 8 ss. de 
reform. 
Lit.: Brendel, Das Recht u. die Verwaltung der milden Stiftungen, Leipz. 1814. — 
Pfeifer, Die Lehre von den juristischen Personen nach Gemeinem und Württemb. Recht, 
Tüb. 1847. — Roth, Ueber Stiftungen, in v. Gerber's u. Ihering's Jahrb. “ Togmatik 
des heutigen Privatrechts, I. 189 ff. — Brinz, Lehrb. der Mandekten 2. Abth. S. 979 ff. — 
H. Böhlau, Rechtssubjekt und Personenroll Weimar 1871. — E. Fiielden Begrif 
2 Wesen der sog. jurist. Tersonen, Leipz. 1873. — Bolze, Der riff der juristischen 
Person, Stuttg. 1879, S. 185 a- Hinschius. 
Stöckhardt, Heinrich Robert, Ö 11. VIII. 1802 zu Glauchau, lehrte als 
Dozent 1824—1828 in Leipzig, wo er neben der jur. auch die philos. Doktorwürde 
erwarb, dann Sachwalter in Bautzen, 1831 als ord. Prof. d. Röm. Recht und 
K. Russ. Hofrath an das K. Pädag. Hauptinstitut in St. Petersburg berufen, 
1835 auch an der K. Rechtsschule angestellt, f 10. X. 1848. 
Schriften: Die Wissenschaft des Rechtes oder das Naturrecht, Leipz. 1825. — Tafeln 
der Geschichte des Römischen Rechts, Leipz. 1828. — Tab. ilhstr. doctr. de cognat. et 
adfinit, inserviens, Leipz. 1830. — De juris Justinianei in generis humani cultum insigni 
merito oratio, St. Petersb. 1834. — Allgem. juristische Fundamentallehre, 1838. — Jurist. 
Propädeutik 1838. 2. Aufl. 1843.- De recta jurisc. eruditione prax. justit. fonte oratio, 
1840. — De fructibus üis quos, qui jeti. non sunt, e jprud. percipere possunt, 1845. — 
Hauboldi memoria, 1847. — Themis von Elvers, I. (1830) 265—292. — Krit. Jahrb. von 
Sichter und Schneider, 1840 S. 75 ff., 659 ff., 951 ff.; 1841 S. 328 ff., 412 ff.; 1842 
91 ff.; 1843 S. 574 ff. 673 ff.; 1845 S. 572 ff., 859 ff.; 1846 S. 1115 ff.; 1847 
. 762 ff.; 1848 S 372 ff. 
Lit.: Richter und Schneider's Krit. Jahrb. XXIV. 956—958. 
Teichmann.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.