Pölman — Pönalklagen. 87
blos exekutive Staatsbehörden, ja durch sehr untergeordnete Organe der Selbstver-
waltung, geübt würde. Allein diese polizeilichen Normen stehen in der Wirklichkeit
nicht nur auf dem Boden des Verordnungsrechts und seiner Delegation. Sie
haben legis vicem nur, insofern als sie bindende Normen für Entscheidungen der
Gerichte bilden und in gesetzähnlicher Weise publizirt werden. Der Grundcharakter
der Verordnung tritt aber hervor in dem Recht der oberen Staatsbehörden, die Ver-
ordnungen der unteren zu suspendiren oder aufzuheben und in dem Recht der Central=
instanz, alle Verordnungen dieser Art außer Kraft zu setzen. Die Gerichte haben
darüber zu befinden, ob die Behörden innerhalb ihrer Zuständigkeit und den gesetzlich
vorgeschriebenen Formen entsprechend die Verordnung erlassen haben, nicht aber über
das Bedürfniß und die Angemessenheit der Verordnung selbst. In der Auslegung
dieser Polizeinormen urtheilen die Gerichte selbständig und erfüllen damit die
Funktionen einer Verwaltungsgerichtsbarkeit ebenso in diesem Gebiete des Polizei-
rechts wie in den analog gestellten Gebieten des Zoll-, Steuer= und Regalrechts.
In Preußen insbesondere war zwar durch das Allg. LR. II. 13 § 6 der
Erlaß allgemeiner P. für ein „Majestätsrecht“ erklärt: den Bezirks= und Orts-P.
aber (dem Bedürfniß dieses zusammengesetzten Staatswesens entsprechend) ein breiter
Spielraum gelassen. Das Gesetz über die Polizeiverwaltung vom 11. März 1850
und die neuen Gesetze über die Verwaltungsreform seit 1872 geben festere Normen
bezüglich der Gegenstände, der Zuständigkeit und der Publikation dieser Klasse von
Verordnungen. In Bayern, sowie in den Deutschen Mittel= und Kleinstaaten,
war es in Folge des kleineren Gebietsumfanges und der gleichartigen Verhältnisse
möglich, das Polizeirecht in erheblich weiterem Umfang zu kodifiziren, dagegen das
Gebiet der P. möglichst einzuschränken.
Lit.; v. Rönne, Preuß. Staatsrecht, I. a § 16. — Pözl, Bayer. Verwaltungsrecht,
9S 83, 156. — v Mohl Württemb. Staatsrecht, J. 3r — neist, Rechtsstaat, 2. Aufl.
79, Kap. V., Gneist.
Pölman, Albert, war Advokat in Königsberg Mitte des 16. Jahrhunderts.
Er gab heraus: Die neun Bücher des Magdeburgischen oder Sachsischen Rechts
(Distinctionen genannt), Magdeburg 1547 (Ortloff, Das Rechtsbuch nach Distinktionen
[Sammlung Deutscher Rechtsquellenl, Jena 1836) und schrieb: Das laufende Urtel 1558,
Königsb. 1563. — Der ganze Prozeß des ordentlichen Gerichtes in bürgerlichen Sachen,
Königsb. 1566, 1610. — Ein kurzer Unterricht, wie sich Bürgermeister 2c. in ihren Aemtern
halten sollen, Königsb. 1577, 1600. — Handbuch, darin zu finden, was sich bei Gericht zu-
trägt, Wittenb. 1570.
Lit.: Stobbe, Rechtsquellen, I. 427. — Kamptz, Jahrbb. Bd. XXIII. S. 178;
Bd. XXVI. S. 272. Teichmann.
Pönalklagen sind diejenigen privatrechtlichen Klagen oder Forderungen, denen
der Beklagte ausgesetzt ist zum Zwecke der Bestrafung einer von ihm zu verant-
wortenden rechtswidrigen Verletzung des Klägers. Die actiones poenales werden
entgegengesetzt den actiones rem (sc. actoris) persequentes. Während nämlich andere
Klagen nur insoweit auf eine Schädigung des Beklagten ausgehen, als das von
ihnen gewahrte Interesse des Klägers nicht ohne jene sich befriedigen läßt, ist das
von den Strafklagen geltend gemachte Interesse des Klägers gerade das der Be-
strafung oder der Schädigung des Beklagten; gleich allen Privatklagen existirt also
auch die Strafklage um des Klägers willen, dem ihre Einräumung die Vergeltung
seiner Verletzung durch eine Schädigung des Beklagten zugesteht. Gegenstand der
P. ist ausnahmslos eine Geldleistung; die Schädigung des Verletzers an seinem Leibe
oder seiner Freiheit, welche noch die zwölf Tafeln in gewissen Fällen dem Verletzten
zugestehen, ist nicht nur im neueren Rechte abgekommen, sondern hat wol auch nie
den Gegenstand einer privatrechtlichen Klage gebildet. Die P. ist verschiedener
Natur nach der Natur der durch sie geahndeten Verletzung. Ist es die unmittelbare
persönliche Verletzung und nicht die pekuniäre Schädigung des Gläubigers, welche