Todtschlag. 895
Ueberlegung handeln“ ist hier gleichbedeutend mit: unter dem Einfluß eines die
volle Besinnung ausschließenden Affekts handeln (anderer Meinung: v. Holtzendorff).
Der Affekt trübt das Bewußtsein und läßt die moralischen und egoistischen Trieb-
federn, welche sonst dem Verbrechen entgegenwirken, sich nur in minderem Grade be-
thätigen. Darin und darin allein liegt die Rechtfertigung für die Behandlung,
welche dem T. im Gegensatze zum Morde zu Theil wird. Manche legen inkorrekter
Weise, aber in Uebereinstimmung mit dem Wortlaute der Gesetze, den Schwerpunkt
nicht auf die heftige Gemüthsbewegung selbst, sondern auf Erscheinungen, welche
dieselbe häufig, aber nicht nothwendig begleiten. So wenn sie ein Handeln „ohne
Vorbedacht“ fordern oder daß der Entschluß zum Verbrechen „plötzlich gefaßt und
sogleich ausgeführt werde.“ Dabei übersehen sie, daß diese Erscheinungen sich auch
aus anderen Ursachen herleiten können. Wenn die zum Verbrechen führenden Trieb-
federn geistige Hindernisse nicht zu bewältigen haben und dem Auftauchen des Bildes.
der That im Bewußtsein unmittelbar die Ausführung derselben folgen lassen, so
kann dies ebenso gut in der befestigten Alleinherrschaft dieser Triebfedern als in der
Macht eines jählings sich aufdrängenden Motivs seine Erklärung finden. Nur die
letztere Erklärung aber, nicht auch die erstere, würde auf geringere Schuld hinweisen. —
Oesterreich bezeichnet als T. die nicht absichtliche, aber als Folge einer sonstigen
absichtlichen Feindseligkeit erscheinende Tödtung; Ungarn die „ohne vorherige" (hier
ist also jener Irrthum ausdrücklich legalisirt) „Ueberlegung“ erfolgte Tödtung. —
Ueber die verschiedenen gesetzlichen Definitionen des T. und seines Gegensatzes, des
Mordes, sowie über die Bedeutung der Unterscheidung dieser Verbrechensarten
s. d. Art. Mord und Tödtungsverbrechen.
Die meisten Strafgesetze haben beim T. die, durchaus unpassende, absolute
Drohung lebenslänglicher Freiheitsstrafe aufgegeben (anders Frankreich und Belgien.
und der Sache nach Oesterreich, welches die im Affekt begangene absichtliche Tödtung
sogar mit Todesstrafe belegt). Das Rötraf G. droht für gemeinen T. Zuchthaus
nicht unter fünf Jahren. Als wichtigster Milderungsgrund gilt beim T. die Pro-
vokation. Der durch sie hervorgerufene Affekt verdient eine besondere Berücksichtigung,
nicht mit Rücksicht auf seine Stärke, sondern um der dabei intervenirenden ethischen
Momente willen. Das Rötraf GB. fordert, daß der Thäter ohne sein Verschulden
durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung (gleich: Körperverletzung,
dagegen: v. Holtzendorff) oder schwere Beleidigung gereizt und auf der Stelle
zur That hingerissen worden sei. Von dem letzteren Requisit gilt das Nämliche wie
von der Betonung der sofortigen Ausführung eines plötzlich gefaßten Entschlusses.
beim T. Das Wesentliche liegt nicht in der Anzahl von Sekunden oder Minuten,
welche zwischen Provokation und Uebelthat liegen, sondern in der Kontinuität eines
den Vorgang beherrschenden Affekts der angegebenen Art. Uebrigens stellt das
Rötraf GB. diesem Milderungsgrunde „andere mildernde Umstände“ zur Seite, daher
der genaueren Abgrenzung des ersteren eine entscheidende Bedeutung nicht beizumessen
ist. — Als qualifizirt behandelt das RStraf GB. den T. an Verwandten aufsteigender
Linie, ferner den bei Unternehmung eines andern Delikts, „um ein der Ausführung
desselben entgegentretendes Hinderniß zu beseitigen oder um sich der Ergreifung auf
frischer That zu entziehen,“ begangenen. Für die Aufstellung beider Oualifikations-
gründe liegen zureichende Motive nicht vor. Mit Recht hat das Rötraf GB. auch
hier blos relativ bestimmte Strafdrohungen (anders Oesterreich). Das Strafminimum
ist indessen viel zu hoch.
Anstifter und Gehülfen sollten, falls nicht auch bei ihnen das Speziesmerkmal
(das Handeln im Affekte) vorliegt, nach den Bestimmungen über Mord behandelt
werden. Die Gesetzgebungen lassen dies jedoch nicht zu. Die Bestimmungen über
den T. an Ascendenten sind auf die Anstifter und Gehülfen nach dem RStraf GB. nur
anzuwenden, wenn das Verwandtschaftsverhältniß auch bei ihnen vorliegt. — Die
Definition des T. im Oesterreichischen Strafgesetz schließt die Möglichkeit eines.