Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

Tödtungsverbrechen. 897 
Ueberlegung). Ein Milderungsgrund allgemeiner Natur: der Affekt hat hier das 
artunterscheidende Merkmal abgegeben. Das Nähere hierüber f. in den Art. 
Mord und Todtschlag. —. Als eine Spezies des Todtschlags läßt sich der in 
der Regel selbständig behandelte Kindesmord betrachten, insofern ein in den be- 
sonderen Zuständen der (unehelich) Gebärenden sich begründender, oder durch die- 
selben gesteigerter Affekt als dessen eigenthümliches Merkmal erscheint. S. d. Art. 
Kindesmord. — Eine andere Bewandtniß hat es mit der Unterscheidung von 
Mord und Todtschlag im Oesterreichischen Straf# B. Dasselbe begreift nämlich unter 
Mord die absichtliche Menschentödtung, unter Todtschlag, älteren Auffassungen ent- 
sprechend, diejenige Tödtung, welche nicht in der Absicht zu tödten, sondern in 
anderer feindseliger Absicht begangen wird (vgl. das Preußische Allgem. LR.). — 
Eine andere Bedeutung hat ferner die Unterscheidung von murder und manslaughter 
im Englischen und Nordamerikanischen Strafrechte. Unter jenem wird nämlich jede 
Tödtung verstanden, von welcher der Angeklagte nicht beweisen kann, daß sie gesetz- 
lich gerechtfertigt oder entschuldigt oder zu manslaughter abgemildert sei. Letzteres 
aber wird angenommen, wenn die Handlung sich als unfreiwillige Folge eines ge- 
ringeren Vergehens (misdemeanor), oder als die Wirkung einer plötzlichen und 
heftigen Provokation darstellt. Murder umfaßt danach auch fahrlässige, sowie im 
Affekt begangene Tödtungen. Auch der Kindesmord, die Tödtung im Duell und die 
Beihülfe zum Selbstmord werden darunter begriffen. Als das sämmtliche Arten von 
murder vereinigende positive Merkmal gilt eine allgemeine üble Willensdisposition, 
auf welche sie angeblich hinweisen, während manslaughter seine Erklärung in der 
Hitze der Leidenschaft finden soll. — In der neueren Zeit hat man in einigen Staaten 
der Nordamerikanischen Union zwei Grade von murcder unterschieden. Der erste Grad 
begreift danach die absichtliche und vorbedachte Tödtung (wobei die Auslegung je- 
doch in der Absicht den Vorbedacht bereits gegeben findet) und die bei Gelegenheit 
gewisser schwerer Uebelthaten begangene unabsichtliche Tödtung (vgl. Kappeller im 
Gerichtssaal, 1870, S. 289 ff.). 
b) Im Gemeinen Recht spielte die Eintheilung der vorsätzlichen T. in ein- 
fache und qualifizirte eine wichtige Rolle. Als gualifizirt galten: 1) Die 
vorsätzliche Tödtung von Personen, zu welchen der Thäter in einer besonderen sitt- 
lichen Beziehung steht („Herren-, Verwandten= und Gattenmord"); 2) die vorsätzliche 
Gifttödtung, hierüber s. d. Art. Vergiftung; 3) der Raubmord; 4) der Banditen- 
mord; 5) der Meuchelmord (7). — Verhältnißmäßig nahe steht dem Gemeinen 
Recht hier das geltende Oesterreichische. Dasselbe unterscheidet vom gemeinen Mord 
den Meuchelmord (welcher auch den Giftmord begreift), den Raubmord, den be- 
stellten Mord und den Verwandten-, bzw. Gattenmord, und bedroht bei diesen Arten 
die (entferntere) Beihülfe und den Versuch mit strengerer Strafe. — Frankreich 
unterscheidet von der gemeinen vorsätzlichen Tödtung (meurtre) die „avec prémédi-- 
tation ou de guet-apens“ begangene (assassinat), die an Ascendenten (parricide) und 
die an Neugeborenen begangene (infanticide), ferner die vorsätzliche vollendete oder 
blos versuchte Gifttödtung (empoisonnement) und die bei Gelegenheit eines ander- 
weitigen verbrecherischen Unternehmens ausgeführte vorsätzliche Tödtung. Alle diese 
bedroht es mit der Todesstrafe, welche bei parricide durch beschimpfende Zusätze ver- 
schärft wird. — Belgien behandelt neben dem Mord die Ascendententödtung und die 
vorsätzliche Gifttödtung als qualifizirt und bzw. als todeswürdig. — Im Uebrigen 
sind der neueren Gesetzgebung gegenüber die Oualifikationen des Mordes von denen 
des Todtschlages zu unterscheiden. S. in Betreff jener d. Art. Mord, in Betreff 
dieser d. Art. Todtschlag. Dazu d. Art. Vergiftung. 
Die unter a und b erwähnten Unterscheidungen standen von Anfang in einer 
gewissen Abhängigkeit von dem Charakter der zur Anwendung zu bringenden Straf- 
mittel und den Voraussetzungen, an welche man zu verschiedener Zeit diese Anwen- 
v. Holtzendorff, Enc. II. Rechtslexikon III. 3. Aufl. 57
	        
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