Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

900 Tradition. 
1. T. als Besitzerwerb. Wir erwerben den (sjuristischen) Besitz an einer 
Sache, indem wir uns die körperliche Macht über dieselbe verschaffen (Besitzergreifung) 
mit dem Willen, die Sache für uns zu haben (s. d. Art. Besitzerwerb). Ge- 
schieht nun die Besitzergreifung unter Gestattung des bisherigen Besitzers als eine 
von diesem verstattete, so ist der Besitzerwerb eine T. Die Gültigkeit der T. ist 
durch die Handlungsfähigkeit der Parteien bedingt. Daher kann von einem Kinde 
oder Wahnsinnigen als Tradenten Besitz durch T. nicht erworben werden. Ebenso 
schließt ein Mißverständniß über die Sache den Besitzerwerb durch T. aus. Der 
körperliche Akt bei der T. erheischt nicht nothwendig eine Uebergabe von Hand zu 
Hand, welche sich ihrer Natur nach auf bewegliche Sachen beschränkt, oder eine 
Ueberweisung des Grundstückes in unmittelbarer Nähe desselben mit sofortiger Be- 
tretung durch den Erwerber. Es genügt jede mit der Zustimmung des Uebergebenden 
vollzogene Handlung, wodurch die Sache in die körperliche Machtsphäre des Er- 
werbers gestellt wird. Der Anschauung des praktischen Lebens entsprechend liegt 
daher eine T. in der Behändigung der Schlüssel zu dem Gewahrsam, in welchem 
sich die zu übergebenden Sachen befinden, in dem Zeigen des Grundstückes aus einer 
gewissen Entfernung, wenn damit die Möglichkeit unmittelbarer Beherrschung ver- 
bunden ist (sog. longa manu traditio). Hat der Erwerber die Sache bereits in 
seiner thatsächlichen Gewalt, aber nicht mit dem Willen, sie in eigenem Namen zu 
besitzen, so verwirklicht sich die T., indem er mit Genehmigung desjenigen, für 
welchen er bisher besaß, den genannten Besitzwillen annimmt und zwar auf Grund 
eines die beiderseikige Willensänderung beurkundenden Rechtsgeschäfts (sog. brevi 
manu traditio). Der Besitz wird aber auch durch T. erworben, wenn auf Grund 
eines Uebereinkommens der bisherige juristische Besitzer die Sache fortan im Namen 
des anderen Vertragstheiles besitzt (sog. constitutum possessorium). In beiden Fällen 
vollzieht sich die T. durch bloße Willenserklärung ohne Veränderung im körper- 
lichen Verhältnisse zur Sache. Wie beim constitutum possessorium wird durch 
Stellvertretung ein Besitzerwerb aus T. vermittelt, wenn derjenige, welcher bisher 
für den Uebergebenden besaß, von diesem angewiesen wird, nunmehr für den Erwer- 
benden zu besitzen, vorausgesetzt daß diese Anweisung nicht abgelehnt wird. Eine 
ältere gemeinrechtliche Theorie faßte den Begriff der T. in dem engen buchstäblichen 
Sinn des Uebergebens von Hand zu Hand bei beweglichen Sachen und in dem 
förmlichen Betreten bei Grundstücken. In allen anderen Vorgängen, an welche die 
OQuellen eine T. knüpfen, erblickte man nur ein Sinnbild der in Wirklichkeit nicht 
vorliegenden, aber dadurch ersetzten T. Man unterschied demgemäß eine traditio 
vera s. propria und eine traditio ficta, impropria oder symbolische T. Diese 
auf dem Boden des Gemeinen Rechts durch den Einfluß v. Savigny's völlig 
überwundene Theorie hat in das Preußische LR. (I. 7 8§ 61 ff.) und in das Oester- 
reichische BG . (88 426, 427, 452) Eingang gefunden. Bei der Uebersendung 
einer Sache wird dem Adressaten der Besitz gemeinrechtlich nicht schon durch die 
Ausantwortung an den Ueberbringer erworben, es müßte denn dieser vom Adressaten 
zur Empfangnahme beauftragt sein, auch nicht durch die Zustellung der Waaren- 
rechnung, sondern erst durch die Ablieferung an den Adressaten. Dagegen läßt das 
Preußische „R. (I. 11 § 128) den Besitz schon mit der Aushändigung der Sache 
an den Frachtführer auf den Besteller übergehen, das Oesterr. BGB. (§ 429) we- 
nigstens dann, wenn der Besteller die Ueberschickungsart selbst bestimmt oder geneh- 
migt hat, das Sächsische BGB. (§ 204), wenn die gewählte Art der Uebersendung 
von ihm bestimmt war. Das Deutsche HG#. giebt keine Entscheidung der Frage. 
Streitig ist, ob sich an die Uebergabe des indossirten Konnossements (und vollends 
des Lade= oder Lagerscheines) ein Besitzerwerb an den verladenen (oder gelagerten) 
Sachen knüpft, und streitig, wie der behauptete Besitzerwerb zu erklären ist (vgl. d. 
Art. Konnossement).
	        
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