908 Trauung, Trauformular, Trauordnung.
ein Attest des Kreisphysikus dargethan wird, daß die Petentin nicht schwanger ist.
Rücksichtlich der Folgen der Verletzung dieser Wartezeit bewendet es nach 8 86 des
citirten Gesetzes bei den Landesgesetzen, welche übereinstimmend festsetzen, daß eine
vorzeiltig geschlossene Ehe nicht ungültig sein solle, also dies Ehehinderniß nur als
ein impelimentum impeliens auffassen (vgl. z. B. §5 1005 u. 1006 des Allg.
LR. II. 1).
Quellen: Tit. de secundis nuptiis C. 5, 9 und si secundo nupserit mulier 5, 10. —
Nov. 222, 94. — TLit. de secundis Wl X. 4, 21. — Preuß. Allg. LR. II. * 19 ff.,
1005 ff. — Sächs. BGB. 1605. — Code civil art. 228 u. 296. — D vom 6. Februar
1875, 58 35 u. 86.
Lit.: Glück, Pand., Bd. IXTII. S. 189 ff. — Sintenis 152. III. 5 137 IV. B.—
v. Vengewowe Pand., Bd. 5 227. — Windscheid, B9d. #§s 412. — Arndts, 8
418. — v. Wächter, Pand., liedn Bd. II. § 245. — Zufzell. 3 Archiv, V. 801.
eil.
Trauung, Trauformular, Trauordnung. Die der gesammten abend-
ländischen Christenheit wohlbekannte Kultushandlung, welche wir unter dem Aus-
druck „T." begreifen, hat ihr Vorbild in einem Akte des weltlichen Rechtes. Im
älteren Deutschen Rechte ist „T.“ die Uebergabe der Braut seitens des Vaters
(Vormundes) in das Mundium des Verlobten, in Gemäßheit des vorausgegangenen
Kaufvertrages, des Verlöbnisses. Indem die Kirche die Vornahme dieses Aktes in
facie ecclesiae forderte und mit demselben die Formen der altkirchlichen Verlöhniß-
Einsegnung unter vorangehender Konsenserklärung der Brautleute verknüpfte, entstand
ein eigenthümlich zusammengesetzter Akt, dessen Vornahme vor der Kirchthüre und
unter fortgesetzter Leitung des Meßpriesters zu erfolgen pflegte. Schon in ihm
erscheint der Priester als derjenige, welcher nach erfolgter Uebergabe der Braut durch
die Eltern, also nach bürgerlich vollständig begründeter Ehe „das Bündniß mit dem
Segen Gottes bindet“, die Brautleute im Namen des Dreieinigen Gottes „ver-
bindet “: die Handlung ist daher bereits, wenigstens ihrem zweiten Theile nach,
kirchliche Trauhandlung. Mit dem Verschwinden des altdeutschen Vormund-
schaftsrechts kam nun fast überall das erste Stück dieser Doppelhandlung, die datio
der Braut durch die Eltern in Wegfall und damit wurde die kirchliche T. zur T.
schlechtweg. Wol kommt daneben noch längere Zeit eine Laien T., namentlich durch
hochgestellte Personen vor; aber diese ist nicht sowol ein Rest der alten weltlichen,
vom Vormund vollzogenen T., als eine Nachbildung, bzw. ein Ersatz der kirchlichen,
und eben darum von der Kirche wiederholt verboten.
Die wesentlichen Bestandtheile der vollständig entwickelten kirchlichen T. find:
die Erklärung des Ehewillens der die T. Begehenden und der Trauakt im engsten
Sinne, die Kopulation. In der Erklärung des Ehewillens, d. h. des Willens, in der
Ehe mit einander zu leben, liegen sowol der Eheschließungs wille, wie wir den-
selben heute verstehen, als auch der Wille, in der bereits rechtlich begründeten Ehe-
gemeinschaft zu leben, die Gattenpflichten zu erfüllen, ununterschieden beisammen,
so daß erst die Anschauung des einzelnen Falles jene juristische Differenzirung erlaubte.
Und ebenso will die Kopulation die gewollte Ehe überhaupt bestätigen, genehm erklären,
unter Gottes Wort stellen, ohne spezielle Rücksicht darauf, ob sie erst mit der T.
selbst rechtlich geschlossen wird oder bereits vorher begründet ist. Nur hieraus er-
klärt sich zur Genüge, daß die T. in ihren beiden wesentlichen Bestandtheilen sich
gleich blieb, mochten ihr bereits sponsalia de praesenti vorausgehen, also die Ehe
als Rechtsverhältniß bereits vorher begründet sein oder nicht. Und weiter erklärt
sich hieraus, daß die Form unverändert bleiben konnte, nicht nur, als im 18. Jahrh.
das bürgerliche Recht das rechtliche Zustandekommen der Ehe von dem Vollzug der
T. abhängig machte, sondern auch umgekehrt in den Gebieten des Französischen
Rechts, in welchen durch Einführung der sog. obligatorischen Civilehe der T. ein
für allemal ihre Rolle nach dem Eheschließungsakte (im juristischen Sinne) zu-
gewiesen wurde.