Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

Trunkenheit. 915 
(z. B. durch Hinterlist eines Anderen herbeigeführte) T. ebenso eine Ausnahme wie 
die dolose T., d. h. diejenige, in welche sich Jemand mit der Absicht, im trunkenen 
Zustand ein bestimmtes Verbrechen zu begehen, versetzt hat. Es kommt aber 
andererseits auch der Grad der T. in Betracht. Nur die sog. volle T. („Besoffen= 
heit“") kann die Zurechnung ausschließen. Volle T. ist aber freilich nicht blos dann 
vorhanden, wenn der Betrunkene alles Bewußtsein verloren hat, sondern schon dann, 
wenn die Berauschung ihm die pspychische Freiheit (Selbstbestimmungsfähigkeit) oder 
die Möglichkeit der Einsicht in die Unerlaubtheit seines Verhaltens raubt. Was 
Jemand in voller zufälliger T. thut, kann ihm nie zugerechnet werden; war die 
T. verschuldet, so ist es möglich (nicht aber nothwendig), daß auch betreffs des 
in der T. Gethanen strafbare Kulpa vorliegt; war die volle T. endlich eine dolose 
im obigen Sinn, so ist das in derselben begangene Verbrechen zur Absicht zuzu- 
rechnen, da es im Kaufalzusammenhang steht mit dem Dolus, welcher bei dem 
Thäter obwaltete, als er sich in T. versetzte. Diese Ansicht, welche getheilt wird 
von Abegg, Marezoll, Mittermaier, Bekker, v. Wächter, Berner, 
Geib, Dollmann, H. Meyer, Binding u. v. A., sowie sie ausdrücklich vom 
Württemb., Heffs., Bad., Thüring., Oesterr., Hamb. Straf GB. adoptirt worden ist, hat 
auch ihre Gegner (unter die namentlich Krug, Köstlin, Hälschner, v. Schwarze, 
Schütze gehören), die gewöhnlich in den betreffenden Fällen von einer Fahrlässigkeit 
reden, was aber den thatsächlichen Voraussetzungen geradezu widerspricht. Val. 
noch über die sog. actio libera in causa s. ad libertatem relata den I. Thl. a. a. 
O. — Die nicht volle T. muß, sofern sie nicht eine dolose ist, als Strafminde- 
rungs= oder als Strafmilderungsgrund gelten, je nachdem sie sich von der vollen 
T., bzw. dem Zustand der Zurechnungsfähigkeit mehr oder weniger entfernt. 
Das Preuß. StrafGB. führte die T. unter den Strafausschließungsgründen nicht 
an, so daß sich die Praxis zu einer Auslegung des § 40 bemüßigt sah, die eigent- 
lich eine analoge Anwendung desselben war. Auch das Deutsche Straf GB. nennt 
die T. nicht besonders. Unter den § 51 desselben (verb.: „in einem Zustande von 
Bewußtlosigkeit oder krankhafter Störung der Geistesthätigkeit“) läßt sich aber nicht 
jeder Fall, in welchem volle T. die Zurechnung ausschließt, ohne Zwang subfu- 
miren. — T. erscheint ferner 2) in unseren Gesetzen als eine Polizeiübertretung, 
natürlich nicht schlechthin, sondern bei dem Hinzutreten (im Einzelnen sehr ver- 
schiedener) qualifizirender Umstände. Das Deutsche Straf GB. bestraft denjenigen 
wegen einer Uebertretung mit Haft, der „sich dem Trunke (Spiel oder Müßiggang) 
dergestalt hingiebt, daß er in einen Zustand geräth, in welchem zu seinem Unter- 
halte oder zum Unterhalte derjenigen, zu deren Ernährung er verpflichtet ist, 
durch Vermittelung der Behörde fremde Hülfe in Anspruch genommen werden 
muß“. Mit der Haft kann hier ferner Arbeitszwang verbunden und bei der Ver- 
urtheilung zur Haft zugleich erkannt werden, daß der Verurtheilte nach verbüßter 
Strafe der Landespolizeibehörde zu überweisen sei. Die letztere erhält dadurch die 
Befugniß, den Verurtheilten bis zu 2 Jahren in einem Arbeitshaus unterzubringen 
oder zu gemeinnützigen Arbeiten zu verwenden oder denselben, wenn er ein Aus- 
länder ist, aus dem Bundesgebiet (Reichsgebiet) auszuweisen. Dem Deutschen 
Reichstag liegt jetzt (1881) der Entwurf eines Gesetzes vor, nach welchem die öffentliches 
Aergerniß erregende T. als Uebertretung bestraft werden, sogar Gefängnißstrafe bis 
zu 5 Jahren eintreten soll, falls in voller nicht doloser T. Verbrechen begangen 
sind. Das letztere ist eine Monstrosität; wie man, was hiernach erforderlich wäre, 
Mord und Todtschlag, absichtliche und fahrlässige Tödtung oder Körperverletzung — 
begangen in voller, zurechnungsunfähig machender, nicht doloser T. — unterscheiden 
will, ist für menschlichen Witz unergründlich. — 
Gsgb.: Deutsches Straf GB. §§ 51, 261 Z. 5. 362. — Baden, Pol. StrasG., 
— 76, 99 u. dazu Bingner u. Eisenlohr, Bad. Strafrecht, S. 224, 247. — Bayern, 
ol. Straf Ges., Art. 55, 82. — Oesterreich, §8 2 litt. c, 236, 253. — Entw. I. 88 56, 
452, 457; II. §§ 56, 444, 449. 58 
 
	        
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