Tutorium. 917
§ 436 Anm. 3; § 432 Anm. 5; § 433 Anm. 21 a). Um dieses T. einzu-
kommen, ist die Pflicht des berufenen Vormundes, durch deren Unterlassung er sich
dem Mündel verantwortlich macht; er kann aber auch vorher außer in Nothfällen
keine Verwaltungshandlung vornehmen. Dem T. vorauf geht eine richterliche
Untersuchung (causae cognitio) über die Tüchtigkeit und Fähigkeit des Vormundes,
dem jedoch ohne gerechte Gründe die Berufung nicht versagt werden soll. Dabei
hat der Magistrat die einzelnen Delationsgründe, besonders die väterliche Ernen-
nung, zwar zu berücksichtigen, ist aber an dieselben in keiner Weise gebunden.
Sofort nach Aushändigung des T. soll der Vormund die treue Erfüllung der ihm
auferlegten Pflichten eidlich versprechen, doch wird nach der Gem. Praxis ein Hand-
gelöbniß für ausreichend erachtet (über Röm. Recht vgl. 1. 7 88 5, 6 C. 5, 70;
Nov. 72 c. 2, 8); er soll genügende Sicherheit durch Pfand oder Bürgen leisten:
rrem pupilli salvam fore (über Röm. Recht pr. I. 1, 24; 1. 4 § 1 D. 46, 6;
1. 7 D. 46, 5); er soll endlich ein Inventar errichten, es sei denn, daß ihm
dasselbe letztwillig erlassen ist oder ihn die Obervormundschaftsbehörde nach ihrem
Ermessen davon befreit (I. 7 pr. D. 26, 7; I1. 13 § 1 C. 5, 51; 1. 24 C.
5, 37). Diese obrigkeitliche Untersuchung, welche letztwillig nicht ausgeschlossen
werden kann (1. 55 D. de leg. 1), wird heutzutage im Gegensatz zu der Römischen
confirmatio juris Germanici genannt. Beide sind aber von einander verschieden.
Die Römische ist Bedingung der Berufung, ihre unterbliebene Nachsuchung macht
nicht verantwortlich; die Deutsche setzt die Berufung voraus und läßt den Berufenen
für das nicht erbetene T. haften. Der Röm. tutor ist von seiner Kenntniß der
Delation zur Amtsführung verpflichtet, der Deutsche Vormund erst von der Be-
stallung. Dagegen ist in Folge jener Bestimmung der Reichspolizeiordnung keines-
wegs jede Vormundschaft als dativa aufzufassen, vielmehr bleiben die Delations-
gründe bestehen, da sich das T. nicht auf die Berufung, sondern nur auf die
Befugniß zur Verwaltung bezieht. Doch ist nicht zu leugnen, daß die Wirkung
der Delationsgründe bedeutend abgeschwächt ist.
Unter den Partikulargesetzgebungen weichen der Cod. Max. Bav. und das
Oesterr. BGB. von der gemeinrechtlichen Lehre nicht ab, der Code civil (vgl. art.
418) kennt ein T. überhaupt nicht, da seine Verpflichtung mit der Kenntniß von
der Berufung beginnt. Das Preuß. Allg. LR., welches nur die tutela dativa auf-
genommen hat, läßt die Vormundschaft erst mit der Bestallung eintreten und gewährt
ihm vor dieser nur die Befugniß zu unaufschiebbaren Handlungen (II. 18 §8§ 225,
226). Nach der Preuß. Vormundschaftsordnung vom 5. Juli 1875 beginnt das Amt
des Vormundes mit der gerichtlichen Verpflichtung; die Bestallung ist hierfür nur beur-
kundend, nicht bedingend (§ 32 Abs. 2). Die Bestallung ist die Legitimation für
den Vormund und muß daher nicht nur genau die Angaben über die Identität
der Mündel, die Namen der Mitvormünder, sondern auch die Art einer etwaigen
Theilung der Verwaltung, etwaige Befreiungen und Beschränkungen von den gesetz-
lichen Verbindlichkeiten (§ 47), sowie die Bildung des Familienraths enthalten
(§ 24 Abs. 2). Aenderungen in diesen Verhältnissen bedingt die Ausfertigung einer
neuen Bestallung. Analog ist eine solche dem Gegenvormund zu ertheilen (( 26
Abs. 5). Da ein gesetzlicher Vormund von selbst ohne Bestallung eintritt, so wird
ihm auch ein T. nicht ertheilt.
Quellen: Tit. D. 26, 3; Tit. C. 5, 29. — TLit. I. 1, 24; Tit. D. 46, 6; Tit. C. 5,
42; Nov. 145. — Reichs-Polizei-Ordn. v. 1577 Tit. 32 (31), §§ 2, 3S3. — Cod. Max. Bav.
I. 7 88§ 9 u. 10. — Oesterr. BSB. §§ 204—206. — Preuß. Vormundsch.-Ord. v. 5. Julie
1875, 88 24, 26 Abs. 5, 47.
Lit.: Außer den Lehrbüchern: v. Buchholtz, De confirmando tutore, Regiomonti
1833. — Glück, Komment., XXIX. S. 305 ff.; XXX. S. 152 ff. — Rudorff, Recht der
Vormundschaft, II. S. 211 ff.; I. S. 320 ff. — Kraut, Die Vormundschaft, I. S. 235 ff.;
II. S. 118 ff. — Ueber die Errichtung des Inventars: Marezoll in Grolmann's Mag.
für R.W. u. Gsab., IV. 19, 12. — Die Kommentarien z. Preuß. Vorm.-Ordn. von Anton,
eumann, Löwenstein, Dernburg, Hesse. Kayser.