956 Unzucht.
Jahren: Sachsen Art. 8356; Thüringen § 299. Mit Zwangsarbeit: Braunschweig 8 190.
Kreisgefängniß oder Arbeitshaus: Württemberg §§ 308, 309; Baden § 368 bis zu zwei
Jahren; Bayern § 220 Gefängniß nicht unter zwei Jahren. Als sehr schwerer Fall
der Kuppelei wird bestraft, wofern dadurch eine unschuldige Person verführt worden
ist, d. h. eine Person, welche ihre geschlechtliche Reinheit noch bewahrt hat. Gleich-
gültig ist, ob die Person, welcher Vorschub geleistet ist, bescholten oder unbescholten
war. Bayern steigerte in diesem Falle die Strafe von sechs Monaten bis zu Ge-
fängniß von drei Jahren; auch die Verbindung mit einer Geldstrafe bis zu 1000
Gulden, Stellung unter Polizeiaufsicht ist zulässig. War die Ueberlassene eine
Person, welche sich um Lohn Preis giebt, so tritt geringere Strafbarkeit ein. Die
Strafe ist um so strenger zuzumessen, wenn die Kuppelei gewerbsmäßig betrieben
wird. Uebrigens ist gewinnsüchtige Absicht zum Begriffe der strafbaren Kuppelei
nicht erforderlich. Gewohnheitsmäßige Kuppelei setzt eine Mehrheit der Fälle
bei fortdauerndem Hang zur Beförderung der Befriedigung fremder Geschlechtslust
voraus und ist auch dann anzunehmen, wenn nur einer Person ständig zur wieder-
holten U. Vorschub geleistet worden ist (Rubo, Komment. zu § 180).
Die meisten Strafgesetze fordern außer den ausgezeichneten Fällen zum That-
bestande der Kuppelei: Gewohnheitsmäßigkeit oder Eigennutz, und knüpfen an die-
selbe die Rechtsfolge der ehrlosen Gesinnung auch dort, wo der Schuldige das Ver-
kuppeln nicht um eigenen Vortheiles willen oder nicht als Schandgewerbe treibt.
Stellung unter Polizeiaufsicht, Abschaffung aus dem bisherigen Aufenthaltsorte oder
Verwahrung in einer Polizeianstalt gelten als zulässig. Geringere Fälle der Kuppelei
find: wenn Schanddirnen zur Betreibung ihres unerlaubten Gewerbes eine bleibende
oder vorübergehende Unterkunft oder sonst Unterschleif gegeben wird, wenn vom Zu-
führen solcher Personen ein Geschäft gemacht wird, wenn durch Unterhandeln der
U. Anderer Vorschub geleistet wird. Dagegen ist das Befördern eines fleischlichen.
Umganges unter Verlobten nicht als Kuppelei anzusehen, wohl aber die Vermittelung
des Unterbringens in fremde Bordelle.
Die Kuppelei ist ein selbständiges Vergehen, nicht Theilnahme an einem fremden,
sofern sich dieselbe nicht als Theilnahme an den Verbrechen der Nothzucht, Schändung rc.
darstellt; unter welcher Voraussetzung die verwirkte schwere Strafe eintritt. Das
Gem. Recht hatte bereits dieses Delikt als ein Sondervergehen bestimmt. Kein
anderes U.verbrechen setzt einen Kuppler voraus. Gewinnsüchtige Beförderung des
Ehebruchs der eigenen Frau ist daher nicht Beihülfe zum Ehebruche, vielmehr das
schwerere Vergehen der Kuppelei.
IV. Verletzung der Schamhaftigkeit durch unzüchtige Handlungen.
Eine Handlung kann unzüchtig sein und das sittliche Schamgefühl in gröbster Weise
verletzen, obwol der Thäter keine wollüstige Absicht hatte, seinen Sinnenkitzel nicht
befriedigen wollte. Verletzungen des Scham= und Schicklichkeitsgefühles müssen daher
nicht aus Geilheit und Wollust begangen sein. Wohl aber sind derlei Verletzungen
in der Regel darauf berechnet, die Lüsternheit Anderer zu reizen. Die Verletzung
der Schamhaftigkeit muß jedoch nicht wesentlich eine geschlechtliche Beziehung haben,
dagegen geeignet sein, ein öffentliches Aergerniß zu erregen, denn nur eine gröbliche,
öffentliches Aergerniß verurfachende Verletzung der Ehrbarkeit oder Schamhaftigkeit
begründet eine strafbare Uebertretung, also entweder vor den Augen Mehrerer an einem
öffentlichen Orte oder dergestalt, daß das Aergerniß in weiteren Kreisen bekannt und
besprochen wird. Dies kann geschehen durch unzüchtige Handlungen, Abbildungen,
Darstellungen, Druckschriften, mündliche Aeußerungen. Wo sich die Wahrnehmbar-
keit des gegebenen Aergernisses auf einen vertrauten Kreis beschränkt, fehlt das Merk-
mal der öffentlichen Begehung. Das gegebene öffentliche Aergerniß ist nicht identisch
mit dem schamverletzenden Charakter der Handlung, und dieser läßt sich nur indivi-
dualisirend, nicht lediglich in objektiver Weise bestimmen, doch genügt es nicht, daß
nur subjektiv Einzelne Aergerniß an einer Handlung, oder Darstellung genommen