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der Richter zur Beseitigung etwaiger Bedenken die Vernehmung des Ausstellers über
die Echtheit veranlaßt (CPO. § 402). — Ein Fehlen gegen die Förmlichkeiten ent-
zieht der U. die Qualität einer öffentlichen. In Betreff der Privat-U. hat das
Gesetz mit Ausschluß der Bestimmungen über Form und Inhalt der Wechsel-U.
keine besonderen Formvorschriften gegeben. Streitig ist es, ob die Unterschrift des
Ausstellers ein wesentliches Erforderniß ist. Wenn allerdings auch die CPO. bei
ihren Anordnungen über den „Beweis durch U.“ die Unterzeichnung der Privat-U.
zur Voraussetzung hat, folgt daraus doch nicht, daß der Mangel derselben dem
Schriftstück die Eigenschaft einer U. entzieht. Auch die Handelsbücher eines Kauf-
manns, die nicht unterschriebene Spesenrechnung auf einem Frachtbriefe u. dgl. sind
U. im Sinne des Gesetzes und sogar zur Begründung des U. prozesses nicht unge-
eignet (sic! Urtheil des Reichsgerichts v. 23. Oktbr. 1880 — Entsch. Bd. II. S. 415).
Für alle Arten von U. gilt die allgemeine Vorschrift, daß die U. frei sein muß von
Durchstreichungen, Radirungen und Einschaltungen, daß sie vollständig und nicht durch
Defekte oder Flecke ganz oder theilweise unleserlich gemacht ist, und daß sie eine ver-
ständliche Fassung hat, welche Widersinnigkeiten, Zweideutigkeiten und Widersprüche
vermeidet. Inwieweit ein Verstoß gegen diese Erfordernisse die Beweiskraft der U.
beeinträchtigt, hat der Richter nach freier Ueberzeugung zu entscheiden. Im Uebrigen
begründet die öffentliche U. den vollen Beweis ihres Inhaltes, während die Echt-
heit der Unterschrift unter einer Privat-U. den Beweis liefert, daß die in ihr ent-
haltenen Erklärungen von dem Aussteller abgegeben worden sind, nicht auch, wann
und wo dies geschehen ist. Diese Thatsachen bedürfen, wenn sie von Erheblichkeit
sind, eines besonderen Beweises. Welche Beweiseinreden dem U. beweise entgegen-
gesetzt werden können, darüber s. den Art. U. beweis. Was endlich die Wechsel-
U. betrifft, so ist für sie eine bestimmte Form vorgeschrieben, deren Nichtbeachtung
der U. ihre Bedeutung als Träger der Obligation entzieht.
IV. Erwerb und Benutzung der U. Nur derjenige kann sich der U. als
eines Beweismittels zur Geltendmachung seiner Rechte bedienen, dem ein Anspruch
auf sie zusteht; nur er ist, wenn er sie nicht im Besitz hat, von dem Inhaber ihre
Edition zu fordern berechtigt, eine Forderung, die entweder mit dem Editionsantrage
oder mit der actio ad exhibendum geltend gemacht werden kann. Im Allgemeinen
erlangt derjenige einen Anspruch auf die U. und deren Benutzung, zu dessen Gunsten
sie ausgestellt ist, oder dessen Rechte oder Pflichten von ihr betroffen werden. Auf
diesem Grundsatze ruht auch die Vorschrift des Allg. LR. I. 12 § 227, nach welcher
alle diejenigen eine Abschrift des publizirten Testaments verlangen können, welche
ein begründetes Interesse bei der Sache nachweisen. Lautet die U. über einen zwei-
seitigen Vertrag, oder enthält sie Bestimmungen, welche für mehrere Personen von
rechtlichem Interesse sind, so haben alle gleiche Ansprüche an sie. Wer ihre Ver-
wahrung übernehmen soll, hängt von dem Uebereinkommen der Interessenten ab.
Nur in Ansehung der Familien-U., d. h. derjenigen, welche gemeinschaftliche Familien-
rechte betreffen, schreibt in Preußen das Allg. LR. II. 4 § 19 vor, daß die Ver-
wahrung dem Vorsteher der Familie gebühre. Der Anspruch auf die U. steht mit
dem durch sie zu erweisenden Rechte in einem derartigen Zusammenhange, daß er
auf den Erwerber des letzteren ipso jure übergeht, wogegen der Regel nach der
Uebergang der U. allein nicht auch die Nachfolge in das Recht begründet. Wer
also durch Cession ein Recht erworben, kann vom Cedenten die Aushändigung der
über dasselbe lautenden U. verlangen. Zwar ist von der Uebergabe derselben die
Rechtsgültigkeit des Erwerbungsaktes nicht abhängig. Da jedoch der debitor cessus
nur an denjenigen zu erfüllen verpflichtet ist, der sich durch den Besitz der Cession
und der U. legitimiren kann, ist die Erlangung der letzteren ein nothwendiges Er-
forderniß zur Disposition über das erworbene Recht (das Preuß. OTrib. ging bei
Hypothekenforderungen soweit, den Cessionar mit der Klage gegen den debitor cessus
abzuweisen, wenn er den Besitz der Hypotheken-U. nicht nachzuweisen vermochte. Erk.