Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

968 Urkundenbeweis. 
produzirte einfache Abschrift derselben als richtig angesehen werden, und können, 
wenn eine Abschrift nicht vorhanden, nach dem freien Ermessen des Gerichts seine 
Behauptungen über die Beschaffenheit und den Inhalt der Urkunde als bewiesen 
angenommen werden (CPO. 8§ 392). Die Präsumtion einer dolosen Beseitigung 
wird durch die Nichtleistung des Editionseides begründet. 
VI. Aufgefundene U. (instrumenta noviter reperta). Unter neu auf- 
gefundenen U. versteht man solche, die nach dem Abschluß eines Rechtsaktes ent- 
weder überhaupt erst aufgefunden oder erst als Beweismittel benutzt werden können. 
Das Gemeine Recht legte ihnen eine besondere Wirkung, jedoch nur für den Fall 
eines Prozesses bei, indem es auf Grund solcher U., die im Laufe desselben nicht 
hatten benutzt werden können, weil dem Beweisführer entweder ihre Existenz oder 
ihr Verbleib unbekannt gewesen, die Restitutionsklage gegen das rechtskräftige Urtheil 
gewährte. Es genügte dadurch einer Forderung der Gerechtigkeit, da das Urtheil 
ohne Verschulden der Partei auf einer unrichtigen thatsächlichen Basis beruhte. Auch 
die Deutsche CPO. kennt diesen Restitutionsgrund und stellt als Bedingung auf, 
daß die Partei eine U. auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird 
(wobei der § 396 Abs. 2 zu berücksichtigen bleibt), welche eine ihr günstigere Ent- 
scheidung herbeigeführt haben würde. Sie läßt jedoch die Restitutionsklage dann 
nicht mehr zu, wenn die durch die neue Urkunde zu erweisende Thatsache bereits 
durch die Ableistung eines Parteieides erledigt ist (§ 543). — Die Urkunde muß 
also der Benutzung des Beweisführers zu einer Zeit zugänglich geworden sein, zu 
welcher er sich ihrer in dem schwebenden Rechtsstreite nicht mehr bedienen konnte, 
zu welcher also diejenigen Instanzen geschlossen waren, die das Anbringen neuer 
Thatsachen und Beweismittel gestatten. U., die bereits produzirt waren und hätten 
benutzt werden können, werden um deshalb nicht zu neu ausgefundenen, weil nach 
der Ansicht des Beweisführers die ihnen zu Theil gewordene Auslegung eine nicht 
richtige gewesen ist. Das Preuß. Recht erstreckt die Wirkung auch noch auf einen 
anderen Rechtsakt. Es stellt den rechtskräftigen Urtheilen die Vergleiche zur Seite 
und gestattet einen Rücktritt von ihnen, sobald aus neu aufgefundenen U. der gänz- 
liche Mangel alles Rechts auf Seite des Gegentheils klar nachgewiesen werden kann 
(Allgem. LR. I. 16 § 420), sobald also z. B. nach geschlossenem Erbvergleich ein 
Testament aufgefunden wird, durch welches einzelne der vergleichenden Intestaterben 
von der Erbschaft ausgeschlossen werden. Im Strafprozeß wird den neu aufgefundenen 
U. eine besondere Stellung nicht angewiesen. Sie werden behandelt wie alle Be- 
weismittel und können unter den Voraussetzungen des § 399 der Straf PO. auch 
geeignet sein, den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zu begründen. 
eves. 
Urkundenbeweis (probatio per instrumenta, preuve littérale) ist auf dem 
Gebiete des Civilprozesses die Herbeiführung der richterlichen Ueberzeugung von 
einer bestrittenen Thatsache durch Vorlegung schriftlicher Aufzeichnungen über Wahr- 
nehmungen oder Willenserklärungen (instrumenta oder documenta). Man scheidet 
dieselben in öffentliche Urkunden (documenta publica, actes authentiques) und Privat- 
urkunden (documenta privata, actes sous seing privé). Erstere sind, wie schon nach 
dem Gemeinen und Französischen Recht, ebenso auch nach der Deutschen CP O. solche, 
welche eine öffentliche Behörde oder eine mit öffentlichem Glauben versehene Person 
G. B. ein Notar) über amtliche Wahrnehmungen innerhalb der vorgeschriebenen 
Form ausgestellt hat (also die von den Gerichten, Notaren ausgenommenen Ver- 
handlungen, die Tauf-, Trau-, Todtenscheine der Pfarrer, der Civilstandsbeamten, 
die Steuerkataster u. s. w.). Alle anderen Urkunden fallen in die zweite Kategorie. 
Handelt es sich blos um die Feststellung der Existenz einer Urkunde, so kann diese 
durch Vorlegung derselben erfolgen, sofern die Echtheit der letzteren, d. h. die Thatsache 
unzweifelhaft ist, daß sie von der als Urheber in derselben bezeichneten Person her- 
rührt. Die öffentliche Urkunde trägt aber wegen ihrer Form die Vermuthung der
	        
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