974 Urkundenfälschung.
im Auge hatte. Es spricht im Allgemeinen sicherlich eine gewisse Präsumtion größerer
Ueberlegtheit und Ernstlichkeit für die Beweiskraft von schriftlichen gegenüber münd-
lichen Aeußerungen. Allein es kann auch schriftlich gescherzt und unüberlegt ge-
schrieben werden. Der Satz: scriptura non probat pro scribente gilt durchaus nicht
im Strafprogeß. Es besteht ja mit Recht ein gewisses Mißtrauen gegen Aeußerungen,
seien sie nun mündlich oder schriftlich, die Jemand zu seinen eigenen Gunsten thut.
Allein wenn Jemand etwas niedergeschrieben hat und dabei nachweislich nicht an
das etwaige Bekanntwerden des Geschriebenen gedacht oder doch von solchem Bekannt-
werden einen Vortheil für sich erwartet hat, können die Aufzeichnungen unbedenk-
lich für aufrichtig gehalten werden, auch wenn sich aus ihnen günstige Folgerungen
für ihren Urheber ergeben.
IV. Weniger streng als unsere Straf O. nimmt es die Oesterreichische
mit dem Prinzip der Unmittelbarkeit. Zunächst schreibt dieselbe die Verlesung von
Augenscheins= und Befundsaufnahmen, gegen den Angeklagten früher ergangenen
Straferkenntnissen, sowie Urkunden und Schriftstücken anderer Art, welche für die
Sache von Bedeutung sind, in der Hauptverhandlung vor, wenn nicht beide Theile
darauf verzichten (§ 252 Abs. 2). Protokolle (d. h. von Gerichtspersonen, nicht von
Beamten der Sicherheitsbehörden aufsgenommene Protokolle) über die Vernehmung
von Zeugen und Mitbeschuldigten, dann die Gutachten der Sachverständigen dürfen
nach § 252 Abs. 1 in folgenden Fällen vorgelesen werden: 1) Wenn die Ver-
nommenen in der Zwischenzeit gestorben sind; wenn ihr Aufenthalt unbekannt oder
ihr persönliches Erscheinen wegen ihres Alters, wegen Krankheit oder Gebrechlichkeit
oder aus anderen erheblichen Gründen (eine sehr dehnbare clausula generalis) füg-
lich nicht bewerkstelligt werden konnte. 2) Wenn die in der Hauptverhandlung
Vernommenen in wesentlichen Punkten von ihren früher abgelegten Aussagen ab-
weichen. 3) Wenn Zeugen, ohne dazu berechtigt zu sein oder wenn Mitschuldige
die Aussage verweigern. 4) Wenn über die Verlesung Ankläger und Angeklagter
einverstanden sind. — Außerdem gehört hierher noch, was § 242 Abs. 1 und 2
bestimmen, wonach der Gerichtshof beim Ausbleiben von geladenen Zeugen oder
Sachverständigen nach Anhörung beider Parteien beschließen kann, daß die Haupt-
verhandlung gleichwol fortgesetzt werden und statt der mündlichen Abhörung jener
Zeugen oder Sachverständigen die Verlefung ihrer in der Voruntersuchung abgelegten
Aussagen erfolgen soll. — Dies Alles ist um so bedenklicher, als die Zeugen in
der Voruntersuchung ohne Beisein des Anklägers und Beschuldigten vernommen
werden (§ 162), also nicht, wie in gewissen Fällen nach den 8§8§ 191 und 222
unserer StrafP O. bei der Zeugenvernehmung Parteienöffentlichkeit herrscht.
W. be 7 Deutsche Straf O. §§ 248—256, 366, vgl. §§ 191, 222. — Oesterr. 89 242
un
Lit.: eier Beweislehre, S. 378 ff.; vers elbe, Deutsches Strafverfahren,
(4. -. S. 578 ff. — Kitka, Ueber d. Thatbestand, S . 254 ff. — Petersen, Gerichtss,
1850, II. S. 113 ff. — Planck, System. Darstell., S. 377 ff. — Sachariä, Hayh
S. 447 55 — K. Fuchs in v. Lelsenonut 3 Handb. des StrafProz., 63 fl. —
Geyer, ebenda, 1. S. 300 ff.; Derselbe, Lehrb. des Gem. Deutschen e * S. 683 ff.,
729 ff., 809 ff. — Bonnier, Traité théorique et prat. des preuves, 3 p. 155 S8.,
340 ss. — Bentham, Ratlonale of judicial evidence, III. p. 393 64 — Best, The
Principles — the Law of Evidence, 6. ed. p. 300 ss. — S. noch Veitdamner in s.
Arch., 1865, S. 686 ff. und 1867 S. 160 ff. — Lohmann, ebenda, 1870, 137 ff. —
Ullmann, Das Oesterreichische Strafprozeßrecht, S. 534 ff. Slen
Urkundenfälschung. In rechtswidriger Absicht erfolgender Mißbrauch der
Urkundenform; eine Spezies der strafbaren Verletzungen der publica fides. Ueber
die Natur dieser Verletzungen und die Behandlung, welche ihnen in den Gesetzen zu
Theil wird, s. d. Art. Fälschung.
Ihren besonderen Gegenstand hat die U. in dem Kredite, dessen die Urkun-
denform im Verkehre und im Prozesse theilhaftig ist. Die Verletzung desselben wird
in den meisten Gesetzen (anders im Oesterreichischen und in Betreff der Privat-