Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

Urkundenprozeß. 979 
quidität verworfen, so wird er verurtheilt, aber unter Vorbehalt seiner Rechte in der 
Urtheilsformel. Ist der Vorbehalt ausgelassen, so kann das Ergänzungsverfahren 
eingeschlagen werden. Urtheile im U. sind auch ohne Antrag für vorläufig voll- 
strecchbar zu erklären und wegen Auslassung der Erklärung ist das Ergänzungs- 
verfahren gleichfalls gestattet. Soweit hiernach das Urtheil definitiv ergeht, ist es 
der (materiellen) Rechtskraft fähig, soweit Abweisung der Klage oder Verurtheilung 
nur wegen der Erfordernisse des U. begründet ist, hat das Erkenntniß die Bedeu- 
tung eines bloßen Zwischenurtheils, welches jedoch in Absicht auf Rechtsmittel und 
Zwangsvollstreckung dem Endurtheil gleichsteht. — Der U. geht in das gewöhnliche 
landgerichtliche oder amtsgerichtliche Verfahren über, wenn der Kläger vor dem 
Schluß der mündlichen Verhandlung, z. B. weil er eine Replik nur durch Zeugen 
beweisen kann, auf denselben verzichtet, wie eine solche Ueberleitung auch im bedingten 
Mandatsprozeß des Gemeinen Rechts nach Ansicht Mancher eintritt, wenn der Be- 
klagte gegen das bedingte Mandat Einwendungen vorbringt: mandatum per excep- 
tionem resolvitur in simplicem citationem. Ferner steht im Gemeinen Recht dem 
Beklagten, welcher durch die Verkürzung des Gehörs in den exekutivischen Prozedur- 
arten an wirksamer Geltendmachung seiner Vertheidigungsmittel verhindert und des- 
halb verurtheilt wird, das Recht zu, sich die Ausführung seiner Rechte in separato 
vorzubehalten und demnächst das in Folge des Urtheils Geleistete mittels condictio 
im Wege des ordentlichen Prozesses zurückzufordern. Die Deutsche CPO. hat dieses 
Verfahren adoptirt und im Hinblick auf dasselbe den ausdrücklichen Vorbehalt der 
Rechte des Beklagten, wenn derselbe Widerspruch erhoben hat, vorgeschrieben; sie 
hat dasselbe aber im Anschluß an die Hannoversche Prz.O. nicht als selbständiges 
Verfahren beibehalten, sondern als eine Fortsetzung des U., nur unter Wegfall der 
Besonderheiten desselben, gestaltet, da auf diese Weise dem Beklagten manche Vor- 
theile seiner Parteistellung, insbesondere das Nachbringen von Defensionen bis zum 
Endurtheil, erhalten blieben und dem Kläger die rechtskräftige Austragung des 
Streitverhältnisses ermöglicht werde, während er im U. zur Herbeiführung einer 
solchen keine Mittel besitze. Das Nachverfahren bildet in Folge dessen mit dem 
voraufgehenden U. zusammen eine Einheit. Daraus folgt dann weiter, daß erstlich, 
wenn das Nachverfahren durch neue Ladung des an der Fortsetzung interessirten 
Theils eröffnet wird, dem Geladenen nur die Ladungsfrist, nicht die Einlassungsfrist 
zusteht; zweitens daß das im U. Vorgebrachte, Erwiesene, Festgestellte auch im 
Nachverfahren seine Gültigkeit bzw. Wahrheit behält; daß aber drittens auch neue 
Thatsachen, neue Beweismittel, neue Einreden 2c. bis zum Urtheil nachgebracht 
werden dürfen, auch Widerklagen hier zulässig sind. Durch solches neues Vorbringen 
kann es geschehen, daß selbst beschworene Thatsachen zwar nicht aufhören als wahr 
zu gelten, aber ihre Bedeutung für das Endurtheil verlieren, und daß Geständnisse 
wegen Irrthums als unwahr zurückgenommen werden. Ingleichen sind hier Noth- 
eide zulässig, können daher zur Ergänzung einer im U. nicht vollständig gelungenen 
Gewissensvertretung auferlegt werden, und durch Versäumniß des Termins zur 
mündlichen Verhandlung kann sich der Kläger seines Sieges im U. wieder berauben. 
Ergiebt das Nachverfahren, daß der Anspruch des Klägers nicht berechtigt war, so 
wird unter Aufhebung des früheren Urtheils die Klage abgewiesen und der Kläger 
zur vollen oder theilweisen Erstattung der Kosten, auf Antrag auch zur Erstattung 
des aus dem früheren Urtheil Geleisteten verurtheilt. Erscheint der klägerische An- 
spruch berechtigt, so ist, wenn der Kläger das Nachverfahren veranlaßte, der Be- 
klagte unter Bestätigung des früheren Urtheils und Erledigung des Vorbehalts, wo 
dasselbe vom Beklagten eröffnet wurde, zugleich unter Verwerfung seines Antrages 
auf Rückerstattung des Geleisteten definitiv schuldig zu sprechen, in beiden Fällen 
unter gänzlicher oder theilweiser Verurtheilung in die Kosten. Im Bersüumni= 
verfahren finden die Vorschriften über das Versäumnißurtheil Anwendung. Vgl. d 
Art. Wechfelprozeß. 
62“
	        
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