Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

Strafzumessungsgründe. 813 
Lit. u Gsstib.- Abeg Untersuchungen, S 1 ff. — Söstlin, System, S. 575 ff. — 
Geib, ehrb. 5 Bindin fGrundriß, S 141 ff. — Gesetze (ab dehen 
von Vorschriften * K#rhl n Preu en 88 16—18, 335. — Oesterreich: §§ 5 
259—262; Min. Verordn. vom 11. Febr. 1855 § 1; Ges. vom 15. No. 1867 Nr. 131 g 
— §§ 21, 28, 29, 78; Oesterr. Entw. g8 15, 16, 26—28; II. 8§§ 14, 15, 24—26. 
Geyer. 
Strafzumessungsgründe (Thl. I. S. 736 ff.): Gründe, welche an die Be- 
messung der Strafe innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens — also unter der Voraus- 
setzung eines nicht absolut, sondern nur relativ bestimmten Strafgesetzes — Einfluß 
haben, und zwar in der Art, daß sie entweder eine Annäherung an das Maximum 
der angedrohten Strafe bewirken (Straferhöhungs= oder Strafmehrungs- 
gründe, in Oesterreich erschwerende oder Erschwerungsumstände genannt), oder eine 
Annäherung an das Minimum herbeiführen (Strafminderungsgründe, in 
Oesterreich Milderungsumstände genannt). Ueber die Eintheilung der S. in kriminal- 
rechtliche und kriminalpolitische, ferner in subjektive und objektive s. Thl. I. S. 737; 
über die Frage, ob es zu billigen ist, wenn S. im Gesetz aufgezählt werden, ebenda. 
Derartige (beispielsweise) Aufzählungen finden sich u. A. in verschiedenen Schweizer 
und im Oesterreich. Straf GB., nicht mehr im neuesten Oesterreichischen Entwurfe. 
Faßt man solche Aufzählungen ins Auge, so bieten sie uns entsprechend dem Eklek- 
tizismus der Gesetzbücher eine bunte Musterkarte. S., welche auf dem an sich 
richtigen Gedanken beruhen, daß die Strafwürdigkeit mit der Intensität des ver- 
brecherischen Willens steigt und fällt (Vorbedacht im Gegensatz zum Affekt, Verletzung 
von mehreren Pflichten, Aufsuchen der Gelegenheit zum Verbrechen im Gegensatz zur 
Benutzung der sich aufdrängenden verlockenden Gelegenheit, Ueberwindung äußerer 
Hindernisse als Kennzeichen der Willensenergie, Verführung Anderer im Gegensatz 
zu dem Verführtwerden, Handeln unter dem Einfluß von Täuschung, Befehl, Noth, 
Irrthum, besondere Bosheit, Grausamkeit und andererseits freiwillige Enthaltung von 
Zufügung größeren Schadens rc.); S., bei welchen jener Gedanke zwar im Hinter- 
grunde steht, aber zunächst ein Verhalten vor oder nach der That, nicht das Ver- 
brechen selbst ins Auge gefaßt wird (Unbescholtenheit im Gegensatz zu verbrecherischem 
Lebenswandel, Reue oder Geständniß nach der That u. dgl.); S., die nur aus der 
Größe des Schadens und (was sehr bedenklich ist!) der Gefahr —, ja endlich solche, 
die sogar nur aus kriminalpolitischen Rücksichten hervorgehen (Lügen in der Unter- 
suchung, Denunziation der Mitschuldigen oder anderer Verbrecher, Gutmachung des 
Schadens durch einen Dritten ohne Mitwirkung des Verbrechers) — treten neben 
einander auf. Nach Oesterreichischem Rechte erscheinen auch noch Beihülfe und Ver- 
such als Strafminderungsgründe, Konkurrenz als Straferhöhungsgrund. Selbst soweit 
nun diese S. auf einer nicht geradezu unrichtigen Anschauung beruhen (was von den 
kriminalpolitischen allerdings nicht gilt), ist ihre gesetzliche Formulirung bedenklich, 
da der Schluß, um welchen es sich hier sehr oft handelt (wie z. B. von der Ueber- 
windung äußerer Hindernisse auf die Intensität des Willens), häufig trügt und 
überhaupt das Generalisiren gerade hier die größten Mißstände erzeugt. Wenn die 
meisten neuesten Gesetze (wie das Preußische, Bayerische und Deutsche) über die S. 
schweigen, ist dies also relativ zu billigen. Volle Bürgschaft für eine dem Geist 
des Gesetzes entsprechende Strafzumessung ist aber freilich nicht geboten, so lange 
dieser „Geist“ sich selbst verneint. Wenn in unseren Strafgesetzbüchern im allgemeinen 
und besonderen Theil Bestimmungen neben einander stehen, die das Gerechtigkeits-, 
und andere, die das Abschreckungs= oder das Gefährlichkeits-, etwa auch das 
Besserungsprinzip zur Grundlage haben, so wird die Willkür der Richter bei der 
Strafzumessung stets einen ungebührlichen Einfluß behalten. — Sehr viel gestritten 
wurde über die Frage: ob der Richter bei der Strafzumessung von dem Minimum 
oder dem Medium des Strafsatzes ausgehen solle; das Erstere (welches Kleinschrod, 
Heffter u. A. vertheidigt haben) widerlegt sich wol von selbst; die andere