984 Urtheil.
erachtet werden, oder wenn das Gericht glaubt, ein U. des Civilrichters abwarten
zu sollen (Deutsche StrafP O. § 216) oder dazu verpflichtet ist (nach Oesterreich.
Recht in Fällen, wo es sich um die Gültigkeit einer Ehe handelt — StrafP O. 5).
Zweifelhaft wird die Form der Beendigung der Hauptverhandlung nur in Fällen,
in welchen der Grund, welcher sich der Fortsetzung der Verhandlung widersetzt, von
der Art ist, daß er das Wesen des Strafanspruches selbst, soweit er vor den ordent-
lichen Strafgerichten des Gebietes überhaupt geltend gemacht werden kann, ergreift.
Die Ungulässigkeit der (Einleitung oder Fortsetzung der) Strafverfolgung ist nur
einer der Gründe der Freisprechung; das Hervortreten eines solchen Umstandes
kann bewirken, daß die Prüfung und Entscheidung des Gerichtes sich auf ihn be-
schränkt, noch nicht aber rechtfertigen, daß der Ausspruch darüber anders als in der
Form des U. ergeht; bei der Verjährung und der Einrede der Rechtskraft einer
früheren Entscheidung ist darüber wol nie gezweifelt worden; der Fall der Aboli-
tion ist meines Erachtens ganz gleich aufzufassen, zumal bei Verbindung mit der
Form der Annestie sehr schwierige Auslegungsfragen zu lösen sein können. Für
den Fall, wo erkannt wird, daß der erforderliche Antrag fehlt, schreibt die Deutsche
StrafP#O. (§ 259 Abs. 2) ein auf „Einstellung des Verfahrens“ lautendes U. vor.
Nach der Oesterr. Strafp O. § 259 wird der Angeklagte „durch U. des Gerichts-
hofes von der Anklage freigesprochen: 1) wenn sich zeigt, daß das Strafverfahren
ohne den Antrag eines gesetzlich berechtigten Anklägers eingeleitet oder fortgesetzt
worden sei; 2) wenn der Ankläger von der Anklage zurücktritt; 3) wenn der
Gerichtshof erkennt . pdaß Unstände vorliegen, vermöge welcher die Strafbar=
keit aufgehoben oder die Verfolgung aus anderen als den unter 1) und 2) an-
gegebenen Gründen ausgeschlossen ist.“ Zweifel erregen nur die Fälle, wo jeder
Ausspruch des Gerichtes zur Sache einen Uebergriff darstellen würde, wie z. B.
wenn die Exterritorialität des Angeklagten oder bei absoluter Sonderung der
Militärgerichtsbarkeit die Zuständigkeit der letzteren hervortritt. Die gleiche Be-
wandtniß hat es wol auch (s. Löwe, vor § 212 N. 3 a) mit Kindern, welche
jene Altersgrenze noch nicht überschritten haben, welche nicht blos ihrer Verantwort-
lichkeit vor dem Strafgesetze, sondern auch ihrer Verantwortung vor Gericht gezogen
ist. In solchen Fällen scheint mir der Abbruch der Hauptverhandlung, also ein
Beschluß und nicht ein U. am Platze.
II. Gegenstand des Urtheils ist die thatsächliche und rechtliche Würdi-
gung der Anklage und der derselben entgegenstehenden Einreden auf Grund der
Ergebnisse der Hauptverhandlung. — Vermöge der Grundsätze der Mündlichkeit und
der freien Beweiswürdigung, auf denen der moderne StrasPrrz. beruht, ist in erster
Linie die Beziehung des U. zur Hauptverhandlung entscheidend. Innerhalb der
durch die erhobene Anklage bezeichneten Grenzen ist also für das U. lediglich die
Ueberzeugung entscheidend, welche das Gericht über die Wahrheit behaupteter That-
sachen und über die rechtliche Natur der von ihm als wahr anerkannten sich gebildet
hat. Die kontradiktorische Natur der Hauptverhandlung erweitert nur die
Prüfungspflicht, beengt aber nicht die Prüfungsberechtigung des Gerichtes: es ist
verpflichtet, alles, was für oder gegen die Anklage vorgebracht wird, schon darum,
weil es vorgebracht wird, zu prüfen und darüber im Urtheil — wenn auch nicht
immer gerade ausdrücklich — zu entscheiden; es ist aber in keiner Weise gehindert,
thatsächliches Material, welches es für erheblich erachtet, und welches in der Haupt-
verhandlung hervorgetreten ist, hervorzuziehen und seiner Entscheidung zu Grunde
zu legen, auch wenn dies von keiner Seite beantragt wurde. Dies gilt selbst von
Belastungsmaterialien; ob ein Verdachtsgrund, ein Belastungsbeweis als solcher von
der Anklage vorgeführt oder betont wurde, ist vollkommen gleichgültig, genug, daß er
dem Gerichtshof aus der Hauptverhandlung entgegentritt und als solcher erscheint.
Ganz dasselbe ist aber von Thatumständen zu sagen, welche geeignet sind, die dem
Angeklagten zur Last gelegte That unter einen strengeren Gesichtspunkt zu bringen: