996 Urtheil.
er über den ursprünglichen Gegenstand der Anklage ab und konstatirt im U. den
Vorbehalt abgesonderter Verfolgung, für deren Einleitung dem Ankläger eine Frist
von drei Tagen vorgezeichnet ist. C. Sind bei der Hauptverhandlung Verdachts-
gründe wegen einer anderen That hervorgetreten, ohne daß der anwesende, zu ihrer
Verfolgung berechtigte Ankläger entweder sofortige Verhandlung oder den Vorbehalt
abgesonderter Verfolgung begehrt hat, so kann letztere nicht mehr stattfinden.
V. Fassung des U. Das Ul. ist die Erledigung der Anklage; die Er-
ledigung besteht darin, daß der Angeklagte verurtheilt oder freigesprochen wird
(§ 259 der Deutschen, 55 259, 260 der Oesterreichischen Strafp O.). Das U. zer-
fällt in drei Bestandtheile: 1) einen Eingang, welcher die Formalien, die
Angaben über die Veranlassung der Hauptverhandlung, Tag und Ort der Abhaltung,
die Zusammensetzung des Gerichtes, die Parteien, die Art des Verfahrens u. s. w.
enthält (§ 275 Abs. 3 der Deutschen Strafp O., § 270 Ziff. 1—5 der Oesterr.
Strafse O.); — 2) den Spruch (Tenor, Urtheilsformel [Deutsche StrafP O. § 2651,
dispositif); 3) die Gründe (ogl. d. Art. Entscheidungsgründe). Das ver-
urtheilende Erkenntniß ist in erster Linie ein deklaratives; es erklärt den
Angeklagten schuldig einer bestimmten strafbaren Handlung, welche nach ihren ge-
setzlichen Merkmalen unter Bezeichnung des individuellen Vorganges, in welchem sie
erblickt werden, anzugeben ist; dabei findet keine Erzählung des Herganges, keine
Aufnahme von faktischen Details statt, soweit sie nicht angegeben sein müssen, um
die den Gegenstand der Aburtheilung bildende That von anderen zu unterscheiden.
Ueber diesen wesentlichen Inhalt des verurtheilenden Erkenntnisses sprechen sich die
Deutsche und Oesterreichische Straf-# O. der Sache nach übereinstimmend aus, die
erstere, indem sie die Angabe der „für erwiesen erachteten Thatsachen, in welchen die
gesetzlichen Merkmale gefunden werden“, in die Urtheilsgründe verweist (6 266),
womit also ausgesprochen ist, daß die gesetzlichen Merkmale in den Spruch ge-
hören, die Darstellung des Herganges in die Gründe zu verweisen ist. Dasselbe
Resultat ergiebt die Vergleichung der §§ 260 und 270 der Oesterr. Straf P O.
Letztere verweisen in den Spruch auch die Angabe der angewendeten strafgesetzlichen
Bestimmungen, während das Deutsche Gesetz auch diese sowie die Anführung der
Umstände, welche für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind, in die
Gründe verweist; bezüglich der Strafzumessungsgründe verfügt die Oesterr. StrafP O.
(§ 270 Z. 7) das Gleiche; die Oesterreichische Praxis nimmt häufig auch diese in
den Spruch auf, wozu allerdings die Strasp O. keinen Anlaß gab (§ 270 Z. 7).
— Selbstverständlich wird das Urtheil mehrere Sprüche über die Schuldfrage
enthalten, wenn die Anklage mehrere reell konkurrirende strafbare Handlungen dem
Angeklagten zur Last legt. Betrifft dagegen die Anklage nur eine That, so kann
auch nur ein Spruch ergehen. Ist dieser ein verurtheilender, so bezeichnet er die
strafbare Handlung, die das Gericht als vorhanden ansieht; er enthält aber nicht
die ausdrückliche Verneinung der Aussprüche, welche die Anklage oder Vertheidigung
begehrt haben, oder welche sonst in der Verhandlung angeregt wurden. Die Ab-
weichung des Urtheils von der Anklage ergiebt sich aus der Vergleichung beider und
ist in den Gründen zu rechtfertigen, aber nicht im Spruch selbst hervorzuheben; das
gilt gleichmäßig von dem Falle der Aenderung der Oualifikation, von demjenigen,
wo sich die Anklage nur theilweise bewährte und selbst von dem, wo die Anklage
eine ideale Konkurrenz annahm, das Urtheil aber eine der beiden Oualifikationen
ablehnt. An den Spruch, der den Angeklagten für schuldig erklärt, schließt sich
dann die daraus sich ergebende praktische Folgerung: die Verhängung der Strafe und
der Ausspruch über die Kosten des Strafverfahrens; nach Oesterr. Recht (über diese
Partien des Strafurtheils s. § 260 Z. 3 u. 5) kommt noch die Entscheidung über
die privatrechtlichen Ansprüche hinzu. — Die Schuldigerklärung des Angeklagten ist
aber nicht blos die Begründung der eben angeführten Bestimmungen des U.,
sondern dessen Hauptinhalt.