Urtheil. 997
Im freisprechenden Erkenntniß hat der Spruch nur die Ablehnung der
Anklage zu enthalten; es steht dem Schuldspruch hier nicht eine negative Deklara-
tion gegenüber; erst in den Gründen ist auszusprechen, „ob der Angeklagte für nicht
überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene That
für nicht strafbar erachtet worden ist“ (Deutsche StrafPm O. § 266). Diese Formu-
lirung ist sehr weit, und schließt auch alle Fälle ein, wo das Gericht die That
nicht für strafbar erachtet, weil die Strafverfolgung ausgeschlossen ist. Daß sie die
Nothwendigkeit auferlege, sich auch in dem Fall über die Wahrheit der dem An-
geklagten zur Last gelegten Thatsachen auszusprechen, wenn der Grund der Frei-
sprechung ebensowol bestünde, sie seien nun wahr oder nicht, darf wol bezweifelt
werden (s. oben). In Oesterreich ergiebt sich das Gegentheil aus der Analogie
der für das Schwurgerichtsverfahren geltenden Bestimmung (§ 317), nach welcher
aus prozessualen Gründen und wegen Verjährung der Schwurgerichtshof allein frei-
sprechen kann, ohne daß die Geschworenen in den Fall kommen, über die Schuld-
frage zu sprechen (vgl. übrigens d. Art. Entscheidungsgründe).
VI. Die Verkündung des U. hat im mündlichen Strafverfahren eine
doppelte Bedeutung: Benachrichtigung der Parteien von der Entscheidung über ihre
Sache und Abschluß der, der Regel nach öffentlichen, Hauptverhandlung durch öffent-
liche Verkündigung ihres Ergebnisses. Allerdings erlangt das U. Unwiderruflichkeit
schon in dem Augenblick, wo die Abstimmung beendet ist. (Anderer Meinung
v. Schwarze, welcher sagt: „Bevor das U. verkündet ist, ist es nur ein Entwurf
und eine Abänderung desselben jedenfalls zulässig.“ Nach Oesterr. Recht, § 171 der
Gerichtsinstruktion vom 3. Mai 1853, „ist jeder Stimmführer nur im Laufe der-
selben Sitzung befugt“ von der „bereits abgegebenen Meinung zurückzutreten“,
„daher nach Beendigung der Sitzung der Beschluß nicht mehr geändert werden
darf"). Jedenfalls aber fordert die Wichtigkeit der Sache, daß jede Möglichkeit
nachträglicher Aenderung ausgeschlossen werde. Zu diesem Zweck verlangen dle Ge-
setze eine zweifache Bürgschaft: die mündliche Verkündigung und die Niederschrift des
U. Die Deutsche StrafPL# O. hat dem Gegenstande eine besondere Aufmerksamkeit zu-
gewendet. Der regelmäßige Vorgang ist der, daß unmittelbar nach Schluß der
Verhandlung die Berathung und Abstimmung des Gerichtes stattfindet und die Ver-
kündung des U. sich sogleich anschließt. Auch in diesem Falle muß die „U.formel"“
verlesen, also vorher niedergeschrieben werden (über die Beiziehung eines
Schriftführers bei der Berathung spricht sich das Deutsche Gesetz nicht aus; sie ist
jedenfalls nicht geboten, man neigt aber zu der Ansicht, daß sie nicht ausgeschlossen
sei); die U.gründe sind in solchem Falle nur zu „eröffnen“. Die letztere Thatsache
muß im Protokolle der Hauptverhandlung, in welches die Ulformel aufzunehmen ist,
konstatirt sein. Es ist auch zulässig, das U. seinem vollen Inhalte nach ins Pro-
tokoll aufzunehmen; ist dies nicht geschehen, so ist das U. mit den Gründen binnen
drei Tagen nach der Verkündung zu den Akten zu bringen und von den Richtern,
welche zu der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterschreiben (§§ 267, 273, 275).
Immerhin bringen diese Bestimmungen mit sich, daß drei Aufzeichnungen über das
U. vorhanden sein müssen: jene Aufzeichnung der Ulformel, welche der Verkündigung
des U. vorangehen muß — das Protokoll in dem die Verkündung beurkundenden
Theile — die im § 275 verlangte Niederschrift. Da die mündliche Verkündung
zum Wesen der Sache gehört, so gilt, wenn diese Aufzeichnungen nicht überein-
stimmen, das mündlich Verkündete; was aber mündlich verkündet sei, darüber macht
bis zum Nachweis einer darin enthaltenen Unrichtigkeit das Protokoll Beweis.
Es ist dem Gericht gestattet, die Berathung und Verkündung des U. auf läng-
stens eine Woche auszusetzen; in diesem Falle müssen auch die Urtheilsgründe schrift-
lich festgestellt (v. Schwarze meint, im Gegensatz zu Anderen, auch verlesen)
werden (5 267); im Uebrigen gilt das oben Gesagte. Die förmliche Ausfertigung
kann auch in diesem Falle der Verkündung in der Hauptverhandlung nachfolgen.