1000 Urtheilsverkündigung — Usance.
Urtheilsverkündigung. Das Urtheil ist entweder in dem Termine, in welchem die
mündliche Verhandlung abgeschlossen wird, oder in einem späteren Termine, welcher sofort
und zwar nicht über eine Woche hinaus anguberaumen ist, zu verkünden. Die Verkündung
erfolgt durch den Vorsitzenden und es ist dabei die Anwesenheit der Richter, welche das Ur-
theil beschlossen haben, nicht nothwendig. Sie geschieht durch Verlesung der Urtheilsformel
(sj. d. Art. Urtheil), welche also vorher schriftlich abzufassen ist. Nur Versäumniß-
urtheile können auch ohne eine solche vorherige schriftliche Abfassung verkündet werden.
Die Entscheidungsgründe brauchen nicht mit verkündet zu werden. Wird es für
angemessen erachtet, so kann dies durch ihre Verlesung oder auch durch mündliche
Mittheilung ihres wesentlichen Inhaltes geschehen. Die Anwesenheit der Parteien
bei der Verkündung ist nicht nothwendig. Mit der Verkündung gewinnt das Urtheil
nach außen hin, also namentlich für die Parteien, seine Eristenz und Wirksamkeit.
Einer Zustellung desselben an den Gegner bedarf es nicht, um davon Gebrauch machen zu
können. Ausnahmsweise ist diese aber erforderlich, damit die Nothfristen für die
Rechtsmittel und den Einspruch zu laufen beginnen, sowie die Zwangsvollstreckung
und eine Ergänzung und Berichtigung des Urtheils erfolgen kann. Die zu diesem
Behufe erforderlichen Ausfertigungen, ebenso wie Auszüge und Abschriften des Urtheils
dürfen erst von dem Gerichtsschreiber ertheilt werden, wenn das Urtheil verkündet und
von den Richtern unterschrieben worden ist. Um dies den Parteien kund zu thun,
hat der Gerichtsschreiber die verkündeten und unterschriebenen Urtheile in ein Ver-
zeichniß zu bringen, und dieses ist an bestimmten, von dem Vorsitzenden im Voraus
festzusetzenden Wochentagen mindestens für die Dauer einer Woche auszuhängen.
Quellen: Deutsche CO. §s§ 127, 281—283, 287, 288, 304, 477, 514, 540, 292, 671.
P. Hinschius.
Usance (handelsrechtlich). Das Wort „U.“ (Handelsgewohnheit, Handelsgebrauch)
hat innerhalb der Terminologie des H.R. verschiedene Funktionen. 1) U.— Handels-
gewohnheitsrecht. Für dasselbe gelten dieselben Prinzipien, wie für das Gewohn-
heitsrecht überhaupt. Seine Erfordernisse richten sich, wo Gemeines Recht anzuwenden
ist, nach diesem; sonst nach Partikularrecht. In seinen Wirkungen gilt es als
Rechtsnorm gleich dem Gesetze; nur ist es insoweit beschränkt, als es den Vor-
schriften des H#G#B. (nicht der übrigen Reichshandelsgesetze) nicht zu derogiren ver-
mag, während es andererseits dem bürgerlichen Recht unbedingt vorgeht (Art. 1
des HGB.). Nur bei den zur Entscheidung der Konsuln oder Konfulargerichte
gelangenden Handelssachen gilt es als prinzipale Rechtsquelle vor dem HGB. (RGes.
vom 10. Juli 1879 § 3). Da es objektives Recht ist, begründet seine Verletzung,
sofern die übrigen Voraussetzungen vorliegen, die Revision nach § 541 ff. der CPO.
Auch liegt demjenigen, welcher sich im Prozeß auf Handelsgewohnheitsrecht beruft,
der Beweis nur dann ob, wenn der betreffende Rechtssatz dem Gericht unbekannt ist
E 265 der CPO.).
2) U. = Verkehrsfitte (Goldschmidt), d. h. jede im Handel thatsächlich
übliche Geschäftsweise, welche nicht Handelsgewohnheitsrecht ist. Sie ist nicht objektives
Recht, sondern dient bald zur Interpretation von Willenserklärungen (Handlungen und
Unterlassungen), welche dem Handelsverkehr angehören, bald ergänzt sie diefelben als
tacita lex contractus (Art. 279 des HGB.). Voraussetzung ihrer Anwendbarkeit im
konkreten Fall ist daher die Kenntniß der Kontrahenten von dem Geschäftsgebrauch
oder die Absicht, sich auch dem unbekannten Geschäftsgebrauch zu unterwerfen. Ihre
rechtliche Wirksamkeit ist davon abhängig, daß sie nicht einem zwingenden Rechtssatz
widerspricht, mithin auch nicht gegen Treu und Glauben verstößt. Wenn z. B. sogar
in einem Kommentar zum HG#B. Art. 372 als angebliche Handelsgewohnheit registrirt
wird, daß der Kommissionär nicht selten den gestellten Preis ohne Rücksicht auf seinen
Einkauf berechnet, so darf ein solcher Mißbrauch nicht berücksichtigt werden. Dispo-
sitiven Rechtssätzen gegenüber, mögen dieselben handels= oder civilrechtlichen Inhalts.