816 Strandung.
Eigenthümer bleibt Eigenthümer, Landesfiskus und Berger erhalten daher durch Zu-
weisung nach § 35 nur die Rechte des redlichen Besitzers. Die Ueberweisung solle
dem bisherigen Eigenthümer sein Recht nicht entziehen, sondern sei nur eine provi-
sorische Verfügung über den Besitz der Sache. Erst durch „Verjährung“ würden
die Besitzer Eigenthümer. Gerade mit Rücksicht auf dieses „neue“ Prinzip der Re-
stitutionspflicht sei das Strandgut dem Fiskus zugewiesen worden, da dieser die voll-
ständige Garantie für die Ersatzleistung bietet. Soweit die Motive. Im Gesetze
ist von alledem keine Rede, wenn anders der rechtliche Begriff des Eigen-
thums auch nach dem Erlaß der Strandungsordnung derselbe geblieben ist wie
früher. Der vermeintliche Eigenthümer der Regierungsmotive hat dem Reichsgesetze
zufolge nach versäumtem Ausgebotsverfahren durchaus nicht etwa das Recht der
Vindikation gegen jeden Besitzer der Sache, er hat nur eine Entschädigungsfor-
derung gegen Fiskus oder Berger. Ein Eigenthum aber, welches zu einer Ent-
schädigungsforderung gegen eine bestimmte Person zusammenschrumpft, ist in aller
Welt kein Eigenthum, sondern ein obligatorischer Anspruch. Der Entschädigungs-
anspruch geht nicht auf Rücklieferung, er ist keine Konsequenz des Eigenthums, son-
dern eine Konsequenz des Eigenthumsverlustes. Wir haben sonach in den §§ 28
und 35 der Strandungsordn. ein eklatantes Beispiel des Falles, daß das Gesetz
mitunter klüger sein kann als die Redaktoren des Gesetzes. Diese glaubten ein
neues Prinzip geltend gemacht zu haben. Das Gesetz selbst aber bekundet in seinem
privatrechtlichen Theil den Anschluß an jene naturgemäße historische Entwickelung
des S., welche zuletzt im Preuß. LR. ihren den damaligen Zeitverhältnissen ent-
sprechenden Ausdruck gefunden hatte.
Als eine auffallende Besonderheit des neuen Gesetzes ist noch hervorzuheben,
daß bei Streitigkeiten über die Empfangsberechtigung nach § 30 das Strandamt
die Rolle des Klägers im Prozeß zu bestimmen hat.
Gsgb.: Preuß. Allg. L. R. II. 1580 ff. — Standgsordn. für die Prov. Preußen vom 10.
Nov. 18, nebst Deklaration vom 22. Nov. 1741. — Ostpreuß. Provinz.-R. Zusatz 229.
Westpreuß. Provinz-R. v. 1844, § 76. — Pommern: Edikt v. 4. April 1733; Kabinetsordre
v. 13. März 1814, Verordn. v. 15. Juli 1777 (Stralsund). — Schleswig= Holsteinsche
Strandun r*.nb v. 30. Dez. 1803. — Hannov. Strandungsordn. v. 24. Juni 1846. —
Mecklenburg. Instruktion v. 20. Dez. 1834. — Oldenburgische Strandungsordnung v.
29. Juli 1844. — Lübeck: Lüb. Stat. v. 1856 VI. 3. Art. 4; VI. 6. Art. 3. — Bremen:
Verordnung vom 23. Mai 1834. — Hamburg: Bekanntmachung vom 15. Juni 1868. —
Deutsches HG. Art. 742 ff. — * etz vp. 17. Mai 1874, abazu Reich-tag verhandlungen,
2. Legisl.-Per. I. Session 1874, III Ban anlagen S. 12, 213 u. I. Bd. S. 56, 315.
Stobbe, Deutsches Privatrecht, II. p. — Mandry, Der- W*td“is Inte der
Reichsgesetze (1878), p. 250 ff. Heinrich Brunner.
Strandung. Die Strafvorschriften, welche sich auf die S. beziehen, sind
theils unter dem Gesichtspunkte der Gemeingefährlichkeit, theils unter dem Gesichts-
punkte des Betruges aufzufassen. 1) Wer vorsätzlich die S. oder das Sinken
eines Schiffes bewirkt und dadurch Gefahr für das Leben eines Anderen herbeiführt,
wird mit Zuchthaus nicht unter 5 Jahren bestraft (StrafS B. § 323). Daß das
Schiff strande oder sinke, muß zur Verwirkung dieser Strafe beabsichtigt sein —
wie denn auch zur Vollendung des Verbrechens es gehört, daß das Schiff gestrandet
oder gesunken sei; — dagegen ist es nicht erforderlich, daß der Thäter die Gefahr
für Menschenleben habe herbeiführen wollen; ob diese vorhanden gewesen, ist lediglich
objektiv festzustellen. Würde die S. herbeigeführt sein, ohne daß durch dieselbe für
Menschenleben Gefahr entstanden wäre, so bleibt die Strafbestimmung des § 323
ausgeschlossen; anwendbar bleiben eventuell die §§ 305 oder 265. Hatte die S.
den Tod eines Menschen verursacht, so tritt Zuchthaus nicht unter 10 Jahren oder
lebenslängliches Zuchthaus ein (§ 323). War der Tod eines Menschen beabsichtigt,
so kann die Strafbestimmung des § 211 (Mord) in Anwendung kommen. Die
für die vorsätzlich verursachte S. angedrohte Zuchthausstrafe kann (§ 325) dadurch