1034 Verjährung.
welches sich in allen kontinentalen StrafP O. ohne Ausnahme vorfindet. Zweck des
alten V. war wesentlich die Erlangung eines Geständnisses durch psychische Einwir-
kung oder dialektische Ueberlegenheit des Richters: was, in heutiger Praxis, als
Hinarbeiten auf ein Geständniß noch vielfach fortdauernd, von der neueren Rechts-
anschauung gemißbilligt wird. Die RöStrafPl O. spricht überall von Vernehmung
(s. diesen Art.). In der Theorie und Praxis erhält sich aber der Ausdruck des
„Kreug-V.“ als ein technischer. Man versteht unter Kreuz-V. diejenige Form
des Zeugen= oder Sachverständigenbeweises, nach welcher Zeugen oder Sachverständige
nicht durch den vorsitzenden Richter, sondern nach vorangegangener Vernehmung
durch die produzirende Prozeßpartei vom Prozeßgegner (cross examination) abgehört
werden. Das Kreuz-V. ist in Deutschland (§ 288) von dem übereinstimmenden
Antrage der Staatsanwaltschaft und des Vertheidigers abhängig, in der Praxis
jedoch nicht üblich geworden, obwol das Altpreuß. Strafprozeßrecht nach der Ver-
ordnung von 1849 und dem Gesetz vom 3. Mai 1852 es zuließ und Baden das
Kreuz.-V. auf Verlangen den Prozeßparteien eingeräumt hatte. In Nordamerika und
England, wo sich im Zusammenhang mit der akkusatorischen Strafprozeßform das
Kreuz-V. zu einem hohen Grade technischer Vollendung ausgebildet hat, gilt das-
selbe als eine werthvolle Garantie der Wahrheitsermittelung und richterlicher Un-
parteilichkeit in der Würdigung der Thatfrage. Auf dem Kontinent sind die
Stimmen getheilt, je nachdem man entweder die Rücksicht auf das sachliche Interesse
der Unmittelbarkeit und der Beweiserhebung oder die perfönliche Stellung der
Zeugen in den Vordergrund bringt. Daß durch Kreuz-V., wenn nicht Sitte und Her-
kommen eine feste Schranke ziehen, Zeugen sehr leicht chikanirt und in Verwirrung
gesetzt werden, bestreitet man auch in England nicht. Der in Hannover 1873 ab-
gehaltene Deutsche Juristentag war dem Kreuz-V. günstig.
Lit.: S. hinter d. Art. Vernehmung. — Außerdem über Kreuzverhör: Best-Mar-
quardfen, Engl. L. R., S. 96, 418. — Woolrych, Crim. Lay, p. 168, 224. — Ram, On
facts. 9 145 ss. — Mittermaier, Engl. Sifr. 305, 400. — Stemann, Verh.
des XI. Deutschen Juristentages, Bd. I. S. 3 ff. — Gneist, Vier Fragen zur Deutschen
Straf PO., 1874, S. 111. — v. Groß in der Allgem. Juticher ttraffechteht. 1865 S. 562,
601. — Geyer, Lehrbuch des Strafprozeßrechts, S. 675. chütze in der Rivista penale
I. p. 481. — Casorati, I1 Processo penale e le riforme ( uscht p. 365 ss.
v. Holtzendorff.
Verjährung (im Civilrecht). Die Rechtsordnung kann sich, obwol sie
absolutes, materielles Recht schaffen soll, der Anerkennung des Einflusses nicht ent-
ziehen, welchen das thatsächliche Bestehen eines Rechtszustandes auf die spätere
Beurtheilung dieses Zustandes ausübt, wenn derselbe eine längere Zeit hindurch so
und nicht anders bestanden hat. Nicht, als ob auf diesem Wege das Unrecht sollte
zum Recht erstarken dürfen, hiergegen hat die Rechtsordnung ihre Kautionen zu
treffen; aber es kann verlangt werden, daß derjenige, dessen Recht der bestehende
Zustand zuwiderläuft, sich innerhalb eines gewissen Zeitraums darum rühre, damit
nicht die Erkennbarkeit des wirklichen Rechtes in Folge der im Laufe der Zeit
möglichen Rechtsveränderungen dem Richter immer mehr erschwert werde und damit
nicht die Zulässigkeit solcher Rechtsveränderungen selbst zum Nachtheil des Verkehrs
immer weiter hinausgeschoben werde (vgl. Th. I. 374). Die Promptheit der
Justiz, welche z. B. im Prozeß zur Festsetzung ausschließlicher Fristen für die
prozessualischen Rechtshandlungen drängte, und das Interesse des Rechtsverkehrs ist
auch im Civilrecht nicht anders zu erreichen, als durch Festsetzung bestimmter Fristen
für die Geltendmachung der einem bestehenden Zustand entgegenstehenden Privatrechte
und durch Aufstellung des Rechtssatzes, daß der eine gewisse Zeit hindurch unan-
gefochten, aber anfechtbar bestandene, nicht abgestellte, aber abstellbare Rechtszustand
von dem Endpunkt dieses Zeitraums an materielles Recht sei. Man nennt das
Recht desjenigen, der dessen rechtzeitige Geltendmachung verabsäumt, der z. B. eine