1054 Vermittelung.
forderung der einen Partei zur Ermäßigung ihrer Ansprüche sich einen unparteiischen
Charakter zu wahren. Zu Gunsten der V. durch mehrere Staaten spricht auch deren
kombinirte Machtstellung und der verstärkte Nachdruck vereinigter Vorstellungen, so
daß ein Nichtacceptiren unwahrscheinlich wird und dem Weigernden ernste Gefahren
verursachen könnte. Die nothwendigste Eigenschaft eines Vermittlers ist: daß
er bei den Interessenten in Ansehen steht und ihr Vertrauen besitzt (Moser, 437),
und seine wichtigste Pflicht ist, daß er unparteiisch sei (Vattel, l. c.;
Moser, 438; Berner, 642). Es ist daher nicht abzusehen, wie Twiß (II. 16)
die am 15. März 1855 begonnenen Wiener Konferenzen als Beispiel einer ver-
einigten Mediation Oesterreichs, Frankreichs und Großbritanniens zwischen
Rußland und der Pforte ansehen kann; Kriegsverbündete der Türkei können doch
unmöglich in den den Streit abzuschließen berufenen Konferenzen als Vermittler
auftreten, und daß sie sich auch nicht als solche, sondern als Alliirte der Türkei
gerirt, darüber geben hinreichenden Aufschluß die auch bei Twiß citirten Konferenz-
protokolle Martens-Samwer, Rec. XV. 633 ff.). Dagegen enthält (s. Ghillany,
Diplom. Handb., II. 334 ff.) das Konferenzprotokoll der Repräsentanten Oesterreichs,
Frankreichs, Großbritanniens und Preußens vom 5. Dez. 1853 zu Wien aller-
dings die ausgesprochene Absicht einer „inter vention (7) amicale“ und „bons
offices"“ in dem ausgebrochenen Kriege zwischen Rußland und der Türkei. —
Pflicht der Parteien ist Nachgiebigkeit gegen einander, um der V. Erfolg zu sichern. —
(Berner, 642.) «
Die V. kommt vor bei zwischen Staaten ausgebrochenen Streitigkeiten, ge-
führten Kriegen, bei Vertrags= (Ch. de Martens, Guid. dipl., I. 192) oder Ver-
gleichsabschlüssen (Beispiele s. bei Moser, 443, 444), insbesondere bei Friedens=
verhandlungen (Martens, Vrecht, § 322; Klüber, § 320). Dagegen ist von
einer eigentlichen V. zwischen nicht gleichberechtigten Subjekten, wie der Staats-
gewalt und den Unterthanen, streng genommen nicht zu reden. Dennoch sprechen
England, Frankreich und Rußland im Eingange und Art. I. des zwischen ihnen
am 6. Juli 1827 zu London in der Türkisch-Griechischen Angelegenheit geschlossenen
Vertrages (Ghillany, II. 389 ff.) von einer durch sie, auf Aufforderung der
Griechen, zu übenden Mediation bei der Pforte, um zwischen dieser und den
Griechen eine Ausföhnung herbeizuführen. Die Dazwischenkunft Englands, Frank-
reichs, Oesterreichs, Preußens und Rußlands in der Holländisch-Belgischen Angelegen-
heit (1830) unterscheidet sich von der vorstehenden nur dadurch, daß sie vom
Holländischen König erbeten wurde (Ghillany, II. 536 ff.). Beide erscheinen uns
als Interventionen in die inneren Angelegenheiten eines dritten Staates, abgesehen
von der in beiden Fällen durch die dazwischentretenden Staaten geübten Gewalt.
Von der Unklarheit der Begriffe staatlicher Repräsentanten giebt aber das oben-
erwähnte Wiener Konferenzprotokoll d. d. 5. Dez. 1853 Zeugniß, indem dasselbe
eine eigentliche V. als Intervention, anstatt als médiation bezeichnet und zugleich
als „bons oflces“. — Die Vktion geht entweder auf Kongressen oder Konferenzen
vor sich (s. Beispiele schon bei Mofer, 448, 447 und aus der neueren Literatur
bei Calvo, I. 254, und Witold Zaleski, Die völkerrechtliche Bedeutung der
Kongresse, Dorpat 1874, S. 16), welchen alle Interessenten beiwohnen und bei
denen zugegen zu sein der Vermittler ein Recht hat (Martens, Vrrecht, § 172a;
Klüber, § 160) — oder der Vermittler verhandelt einzeln mit den Parteien
(Moser, 438). Wird die Verhandlung in ersterer Weise, welche auch die ge-
wöhnlichste ist, geführt, so ist der Ort entweder die Hauptstadt eines der Betheiligten
oder des Vermittlers oder eines der Vermittelnden. In der Regel geben daher auch
die Parteien ihre Erklärungen in Gegenwart des Vermittlers ab, seltener gelangen
deren Vorschläge oder Gegenvorschläge nur schriftlich an ihn (Heffter, 1. c.;
Berner, l.c.), jedenfalls aber muß dem Vermittler die Mitwissenfchaft der zwischen