Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

1056 Vernehmung. 
zu Grunde liegt, in der mündlichen Verhandlung. Hier kann die V. in folgenden, 
verschiedenen Arten sich vollziehen: 
1) In Form des Geständnisses der Klaggründe, und zwar a) unter gleich- 
zeitiger Anerkennung des Klagerechts; b) unter Widerspruch des Klagerechts: 
a) wegen rechtlicher Unschlüssigkeit der Klaggründe; §) wegen Erhebung von Ein- 
reden (Erzeptionen) oder Behauptung von Thatsachen, welche die Befriedigung des 
ursprünglich vorhandenen Klageanspruchs enthalten (Zahlungseinrede). 
2) In Form der Negation der klagebegründenden Thatsachen. 
3) In Form der eventuellen Verbindung von Negation und Geständniß der 
klagebegründenden Thatsachen unter Widerspruch des Klagerechts. 
Alle diese Formen der V. sind zulässig bis zum Schlusse der mündlichen Ver- 
handlung, auf die das Urtheil ergeht (CPO. § 251), sofern nicht der Widerruf 
eines bereits abgelegten Geständnisses versucht wird (CPO. § 263). Die den Ge- 
meinen Prozeß beherrschende Eventualmaxime, wonach alle Rechtsbehelfe gleichzeitig 
wenigstens in eventueller Reihenfolge geltend zu machen waren, gilt im gegen- 
wärtigen Verfahren wie überhaupt, so auch für die V. regelmäßig nicht. Aus- 
nahmsweise ist dieselbe angenommen worden für die V., welche sich nicht auf die 
eigentliche Streitsache, sondern nur auf gewisse Prozeßvoraussetzungen bezieht. 
Die CPO. nennt die hierauf basirten Vorbringen „prozeßhindernde Einreden“ 
(CPO. 8§ 247). Diese müssen gleichzeitig und vor der Verhandlung des Beklagten 
zur Hauptsache vorgebracht werden, sofern sie nicht, wie z. B. die der Unzulässigkeit 
des Rechtswegs dem Verzichte der Parteien entzogen sind, oder glaubhaft gemacht 
wird, daß die frühere Geltendmachung ohne Verschulden des Beklagten unmöglich 
war (CPO. § 247 Abf. 3). In der Regel ist über die prozeßhindernden Ein- 
reden gesondert zu verhandeln und durch Urtheil zu entscheiden, wenn der Be- 
klagte dies beantragt (CPO. 8§ 248). Abweichungen finden insbesondere im Partei- 
und Urkundenprozeß statt (CPO. 88 465 Abs. 1 und 3; 557). Die Verweigerung 
der Einlassung gilt als Ungehorsam und zieht die Fiktion des Geständnisses nach 
sich (CPO. §§ 129, 296). Nur in Ehesachen und Entmündigungssachen findet 
eine Ausnahme statt (CPO. 8§ 577, 611, 624 Abs. 4, 626 Abs. 4). Die Ein- 
lassung in der Hauptsache kann aber ohne Nachtheil außer den Fällen der 
prozeßhindernden Einreden im Falle der laudatio auctoris (CPO. § 73) und nach 
§ 106 des GVG. verweigert werden. 
Lit.: Die Kommentare zur CPO. — Fitting, Der Reichscivilprozeß, § 39. 
Hellmann. 
Vernehmung (Ilnterrogatoire): Mittel der gerichtlichen Beweiserhebung. 
Vernommen werden zunächst Zeugen und Sachverständige ((. diese Art.). 
Die Regeln der V., die theils eine eidliche, theils eine nicht eidliche sein kann, sind 
für den Civil= und Kriminalprozeß in den wesentlichen Stücken übereinstimmend, 
vornehmlich auch darin, daß, um die Uebereinstimmung der Aussagen zu kontroliren, 
Zeugen einzeln, d. h. in Abwesenheit der später abzuhörenden Zeugen vernommen 
werden müssen, vorbehaltlich der Gegenüberstellung in Fällen des Widerspruchs. 
Die Parteien werden im Civilprozeß — abweichend von dem Engl. Prozeß — nicht 
vernommen. Die V. geschieht, von Ausnahmen abgesehen, vor dem erkennenden 
Prozeßgerichte in Gegenwart der Parteien, die theils zulässig, theils (wie im 
Kriminalverfahren) nothwendig ist. Nur der Richter hat im Civilprozeß das Recht 
der V. Im Strafprozeß dagegen hat auch die Staatsanwaltschaft die Befugniß 
zur Vorbereitung des Anklagebeweises, zumal im Ermittelungsverfahren Zeugen zu 
vernehmen, ingleichen deren Hülfsbeamte. Doch gilt dies nicht für bewei skräftige, 
eidliche V. Der V. unterliegt außerdem der Beschuldigte und Angeklagte. 
Dieselbe kommt in verschiedenen Prozeßstadien des Strafprozesses vor. Zunächst 1)
	        
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