1102 Verträge zu Gunsten Dritter.
gläubigers zu Gunsten des Pfandeigenthümers. — Das Deutsche Recht erkannte
zu keiner Zeit jenes negirende Prinzip an; ihm war die Vertragsfreiheit, die Mög-
lichkeit, dem V. einen beliebig nach dem Parteiwillen bestimmten Inhalt zu geben,
zu sehr eigenthümlich, als daß es eine prinzipielle Schranke in der Richtung auf die
Berechtigung eines Dritten aus dem V. hätte setzen können. Zahlreiche Beispiele
von Ehe- und Erbverträgen mit Vereinbarungen zu Gunsten Dritter (unter Lebenden)
und von Gutsübergaben mit wirksamen Zuwendungen an Dritte — Beides aus
Zeiten vor und nach der sog. Rezeption des Römischen Rechts in Deutschland — sind
Belege hierfür, wenngleich das Recht des Dritten nicht ohne weitere besondere
Voraussetzungen entsprang. In neuerer Zeit kommen hierzu noch eine Anzahl von
Versicherungs-, Leibrenten= und Kreditgeschäften, wobei stets ein direkter Rechtserwerb
eines Dritten intendirt werden kann und häufig genug vorkommt. Diese Stellung
des Germanischen Rechts zu den V. z. G. D. ist um so weniger zu bezweifeln, als
nicht blos die vom objektiven Rechte eingeräumte freie Gestaltung des Privatwillens
in V. wiederholt prinzipmäßig anerkannt ist, sondern sich auch die Konstruktion des
Rechtserwerbs des Dritten sehr einfach dadurch ergab, daß überhaupt die Acceptation zu
Gunsten eines Dritten, eine Annahmehandlung durch einen Promissar mit der Wirkung,
daß der versprechende Kontrahent gebunden und ein Dritter berechtigt wird, zu den
häufigsten Erscheinungen der Vertragsschließung gehört. Durch die Anerkennung dieser
Konstruktion, für welche die Verwendung der Salmänner als Acceptanten von Ver-
sprechen zu Gunsten Dritter ein sprechendes Zeugniß bildet, wird eine weit über das
Gebiet der V. z. G. D. hinaus reichende Grundlage gewonnen, auf welcher auch das
Recht der Inhaber= und Orderpapiere theilweise zu konstruiren ist. — In der Doktrin
wurde diese Deutsch-rechtliche Auffassung bis in die neueste Zeit vollständig übersehen,
verkannt und wo möglich unterdrückt. Erst im 17. Jahrh. tauchen Berücksichtigungen
einiger Fälle von V. z. G. D. auf, die man auf Gewohnheitsrechte basirte, aber in
Fortsetzung der schon von den Glossatoren und Kommentatoren nicht vermiedenen
Konfundirungen mit Verhältnissen verwechselte und zusammenstellte, welche keine
V. z. G. D. sind; man erklärte das Recht des Dritten theils als Erstreckung
(mittels Cession u. dgl.) des Rechts des Promissars, theils als Folge einer von
dem Dritten selbst noch vorzunehmenden Acceptation, wobei man überfah, daß, wenn
der Dritte acceptiren muß, er aufhört, ein Dritter zu sein, kund Mitkontrahent wird,
theils als Refultat stellvertretender Handlung. In dieser Weise gingen die Rechts-
verhältnisse, welche man theils als einfache Offerten, theils als „Kollektivofferten“
auffassen kann, unter dem Namen V. z. G. D. in die Partikularrechte des 18. Jahr-
hunderts und von hier aus weiter in die Theorie über. Durch die Herbeiziehung
abseits liegender Verhältnisse sowie durch eine sich gegen jenes Gewohnheitsrecht auf-
lehnende neuere romanistische Reaktion ist die Dogmengeschichte der V. z. G. D.
außerordentlich komplizirt worden und häufig auf rückläufige Wege gerathen. Den
richtigen Begriff der V. z. G. D. im Gegensatz zu vielen damit verwechselten Er-
scheinungen hat erst Unger aufgestellt; ihm folgt Regelsberger im Wesentlichen;
nur ist Unger's Ansichten insofern nicht beizustimmen, als er die heutige Zulassung
und Anerkennung der V. z. G. D. auf einen modernen Umschwung der ethischen
Weltanschauung zurückführt, während doch, wie die angedeuteten Beispiele beweisen,
schon das Deutsche Recht vor dem 14. Jahrhundert die V. z. G. D. kannte und
gelten ließ, außerdem auch insofern nicht, als Unger einige bisher mit den V. z. G. D.
verwechselte Fälle als gar nicht möglich oder nicht zulässig zu bezeichnen scheint.
Man muß sich nämlich einerseits davor hüten, die Freiheit der Parteien bei Fest-
setzung des Vertragsinhalts und der Vertragswirkungen hier nur insoweit anzuer-
kennen, als sie zur Zulassung des V. z. G. D. führt, und ihr im Uebrigen damit
eine Schranke zu setzen, andererseits davor, die positiven Voraussetzungen des Rechts-
erwerbs des Dritten zu ignoriren. Es sind vielmehr auch solche Rechtsgeschäfte
möglich, welche eine Berechtigung des Promissars erzeugen und das Recht des