Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

Verwaltungserekution. 1107 
mittelbar von derselben Behörde ausgehen müsse, von welcher die Entscheidung 
resp. die Verfügung selbst herrühre."“ 
Die gangbaren Lehr= und Handbücher des Staatsrechts der Deutschen Einzel- 
staaten vermeiden es ebenso, nähere Nachweise über die Begründung dieses Exekutions-= 
systems und über die Natur desselben zu geben, sondern reproduziren lediglich die 
landesgesetzlichen Bestimmungen. Diese überaus zahlreichen einzelnen Landesgesetze 
bieten gewisse gemeinsame Grundzüge dar: es werden die Zwangsbefugnisse einzelner 
Kategorien von Behörden auf ein bestimmtes Maximum beschränkt und allgemeine 
Vorschriften über die Vollziehung der Zwangsmaßregeln gegeben, welche sich den 
zur Zeit geltenden Vorschriften über die Civilexekution der Gerichte möglichst nahe 
anschließen. Diese neuere Gesetzgebung würde nahezu unverständlich, in ihrer An- 
wendung lückenhaft und widerspruchsvoll sein, wenn sie nicht auf einem festen, 
allseitig anerkannten Hintergrunde beruhte. 
Dieser gemeinsame Hintergrund war eine wirklich gemeinrechtliche Theorie 
und Praxis, nach welcher Pütter seine Sätze ohne näheren Nachweis hinstellen konnte, 
ähnlich wie für einzelne Sätze des Deutschen Privatrechts diese Legitimation für 
genügend gilt. Ebenso läßt die heutige Rechtsprechung der Englischen Reichsgerichte 
Rechtssätze solcher Art, die im Laufe der Jahrhunderte aus der recht- 
lichen Natur des öffentlichen Amtes sich gleichmäßig entwickelt 
haben, als „common law“ gelten, und weist damit die Frage zurück, wo denn 
das geschrieben stehe. 
Diese Behandlung der Frage hat auch in Deutschland vorgehalten bis zur 
Auflösung des Deutschen Reichs — so lange gemeinsame Grundsätze für das in 
Deutschland geltende öffentliche Recht als notorisch anerkannt wurden und die Rechts- 
verständigen es als ihren Beruf ansahen, sich mit diesem positiven gemeinen Recht 
bekannt zu machen. 
Im Laufe des 19. Jahrh. traf nun aber eine Reihe von Umständen zusammen, 
um das bis dahin Unbestrittene in Frage zu stellen. Es war das Widerstreben 
gegen den Absolutismus — gegen die Alleinherrschaft des berufsmäßigen Beamten- 
thums — welches mit Abneigung und Mißtrauen auf Zwangsbefugnisse sah, die 
ohne Urtheil und Recht die Unterthanen einem Exekutionszwange unterwarfen. Es 
waren die Ideen der Volkssouveränetät, die in dem Kampfe um die konstitutionellen 
Verfassungen in ihren einzelnen Konsequenzen allmählich Eingang und breiteren 
Boden fanden. Geht man davon aus, daß nur der Volkswille Gesetz sein soll, 
so kann den (ohne Zustimmung der Volksvertretung erlassenen) Verordnungen nur 
die Bedeutung von „Ausführungsverordnungen“ beiwohnen (vgl. den Art. Ver- 
ordnungsrecht). Folgeweise muß die „Exekutive“ auch ihre Verfügungen immer 
auf dem Grunde eines geschriebenen Gesetzes rechtfertigen, folgeweise auch Zwangs- 
mittel gegen Person und Vermögen nur nach besonderer gesetzlicher Ermächtigung 
in Anwendung bringen. Dieser Grundauffassung kam weiter entgegen der Ideenkreis 
der am Rhein geltenden Französischen Gesetzgebung, der (im Zufammenhang mit 
dem älteren Französischen Recht und der Napoleonischen Regelung der Kompetenzen) 
die sog. executio ad faciendum sehr eng begrenzt. Es kam dazu weiter die Methode 
der juristischen Lehrbücher, welche die Fälle eines unmittelbaren administrativen 
Zwangs als „Ausnahmen von dem ordentlichen Rechtswege“ behandeln und damit 
als Ausnahmsgesetze charakterisiren. Es kam dazu endlich die Berufsanschauung der 
Gerichte, welche ein Exekutionsrecht nur ex lege scripta kennt. 
Diese neuere Richtung erschien zunächst in einer Abneigung gegen das administrative 
Zwangsverfahren der Polizei= und Steuerbehörden. Eine akute Gestalt nahm der 
Widerspruch aber an, seit dem Beginn des Kirchenstreits in Preußen, seit der Zeit, 
wo durch landesherrliche Verfügung ein Verwaltungszwang gegen kirchliche Prälaten 
durch Abführung auf die Festung u. dgl. geübt worden war, — ein Verfahren, 
welches nicht nur als hart, sondern in weiten Kreisen als rechtswidrig angesehen 
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