Verwaltungserekution. 1107
mittelbar von derselben Behörde ausgehen müsse, von welcher die Entscheidung
resp. die Verfügung selbst herrühre."“
Die gangbaren Lehr= und Handbücher des Staatsrechts der Deutschen Einzel-
staaten vermeiden es ebenso, nähere Nachweise über die Begründung dieses Exekutions-=
systems und über die Natur desselben zu geben, sondern reproduziren lediglich die
landesgesetzlichen Bestimmungen. Diese überaus zahlreichen einzelnen Landesgesetze
bieten gewisse gemeinsame Grundzüge dar: es werden die Zwangsbefugnisse einzelner
Kategorien von Behörden auf ein bestimmtes Maximum beschränkt und allgemeine
Vorschriften über die Vollziehung der Zwangsmaßregeln gegeben, welche sich den
zur Zeit geltenden Vorschriften über die Civilexekution der Gerichte möglichst nahe
anschließen. Diese neuere Gesetzgebung würde nahezu unverständlich, in ihrer An-
wendung lückenhaft und widerspruchsvoll sein, wenn sie nicht auf einem festen,
allseitig anerkannten Hintergrunde beruhte.
Dieser gemeinsame Hintergrund war eine wirklich gemeinrechtliche Theorie
und Praxis, nach welcher Pütter seine Sätze ohne näheren Nachweis hinstellen konnte,
ähnlich wie für einzelne Sätze des Deutschen Privatrechts diese Legitimation für
genügend gilt. Ebenso läßt die heutige Rechtsprechung der Englischen Reichsgerichte
Rechtssätze solcher Art, die im Laufe der Jahrhunderte aus der recht-
lichen Natur des öffentlichen Amtes sich gleichmäßig entwickelt
haben, als „common law“ gelten, und weist damit die Frage zurück, wo denn
das geschrieben stehe.
Diese Behandlung der Frage hat auch in Deutschland vorgehalten bis zur
Auflösung des Deutschen Reichs — so lange gemeinsame Grundsätze für das in
Deutschland geltende öffentliche Recht als notorisch anerkannt wurden und die Rechts-
verständigen es als ihren Beruf ansahen, sich mit diesem positiven gemeinen Recht
bekannt zu machen.
Im Laufe des 19. Jahrh. traf nun aber eine Reihe von Umständen zusammen,
um das bis dahin Unbestrittene in Frage zu stellen. Es war das Widerstreben
gegen den Absolutismus — gegen die Alleinherrschaft des berufsmäßigen Beamten-
thums — welches mit Abneigung und Mißtrauen auf Zwangsbefugnisse sah, die
ohne Urtheil und Recht die Unterthanen einem Exekutionszwange unterwarfen. Es
waren die Ideen der Volkssouveränetät, die in dem Kampfe um die konstitutionellen
Verfassungen in ihren einzelnen Konsequenzen allmählich Eingang und breiteren
Boden fanden. Geht man davon aus, daß nur der Volkswille Gesetz sein soll,
so kann den (ohne Zustimmung der Volksvertretung erlassenen) Verordnungen nur
die Bedeutung von „Ausführungsverordnungen“ beiwohnen (vgl. den Art. Ver-
ordnungsrecht). Folgeweise muß die „Exekutive“ auch ihre Verfügungen immer
auf dem Grunde eines geschriebenen Gesetzes rechtfertigen, folgeweise auch Zwangs-
mittel gegen Person und Vermögen nur nach besonderer gesetzlicher Ermächtigung
in Anwendung bringen. Dieser Grundauffassung kam weiter entgegen der Ideenkreis
der am Rhein geltenden Französischen Gesetzgebung, der (im Zufammenhang mit
dem älteren Französischen Recht und der Napoleonischen Regelung der Kompetenzen)
die sog. executio ad faciendum sehr eng begrenzt. Es kam dazu weiter die Methode
der juristischen Lehrbücher, welche die Fälle eines unmittelbaren administrativen
Zwangs als „Ausnahmen von dem ordentlichen Rechtswege“ behandeln und damit
als Ausnahmsgesetze charakterisiren. Es kam dazu endlich die Berufsanschauung der
Gerichte, welche ein Exekutionsrecht nur ex lege scripta kennt.
Diese neuere Richtung erschien zunächst in einer Abneigung gegen das administrative
Zwangsverfahren der Polizei= und Steuerbehörden. Eine akute Gestalt nahm der
Widerspruch aber an, seit dem Beginn des Kirchenstreits in Preußen, seit der Zeit,
wo durch landesherrliche Verfügung ein Verwaltungszwang gegen kirchliche Prälaten
durch Abführung auf die Festung u. dgl. geübt worden war, — ein Verfahren,
welches nicht nur als hart, sondern in weiten Kreisen als rechtswidrig angesehen
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